Philipp der Kühne, Johann Ohnefurcht, Philipp der Gute, Karl der Kühne, Maria von Burgund, Philipp der Schöne – im 15. Jahrhundert hatten die Burgunder-Herzöge das Sagen in Flandern. Damals die mächtigsten Herrscher Europas. Kluge Politiker waren sie und noch dazu gebildete Mäzene, die mit ihrem Hofstaat umherzogen und dem Land eine sagenhafte Blüte bescherten; wirtschaftlich wie kulturell. Davon zeugt bis heute jener wunderbare Schatz an Manuskripten, den die Burgunder zusammentrugen: Fast 300 Handschriften, darunter viele Meisterwerke der französischen und flämischen Miniatur, die bis heute in der Königlichen Bibliothek Belgiens bewahrt werden. Höhepunkte holt nun das neue Museum in der Kapelle von Nassau und den Räumen rundum aus den Regalen ans Licht.

Sie stammen aus einer Zeit des Umbruchs. 1450 läutet Johannes Gutenbergs Erfindung des modernen Buchdrucks eine Medienrevolution ein. Zuvor wurde alles von Hand abgeschrieben, oft mit Gänsefeder auf Pergament – eine Mühsal von vielen Monaten, die literweise Tinte verschlang.
Zu den alten Exponaten kommt im Brüsseler Museum allerhand neueste Technik. Sie lässt uns ganze Bände durchblättern, jedes Detail unter die Lupe nehmen. Per Projektion wandert Geschriebenes an die Wand. Und Figuren, die Jahrhunderte zwischen den Buchdeckeln ruhten, beginnen unter der Decke zu tanzen. Andere flüstern ihre Geschichten ins Ohr.

Nicht die Bücher allein interessieren dabei, sondern ebenso all die weithin unbekannten Männer und Frauen, die sie gelesen, geschrieben, kopiert oder verziert haben. Christine de Pizan etwa – eine der ersten Schriftstellerinnen, die von ihrer Arbeit gelebt hat und mit mehreren Werken in der Sammlung vertreten ist. Ein multimediales Bibliotheks-Museum, das tief eintaucht ins Mittelalter und sein Denken: Literatur, Geschichte, Wissenschaft und Religion, Philosophie, Moral, Recht, Poesie. Und das immer wieder Neuigkeiten bieten kann. Alle paar Monate nämlich werden die Bücher ausgetauscht, weil sie zu empfindlich sind, um ständig ausgestellt zu sein. Es lohnt sich also, öfter herzukommen.