Verführerisch sieht sie ganz und gar nicht aus – jene verschrumpelte Frucht, die Eva in ihren zarten Fingern hält. Ist es wirklich ein Apfel oder eher eine botanisch unbestimmte Verkörperung des Bösen? Wer solche Details einmal aus nächster Nähe betrachten wollte, konnte im Frühjahr die große Jan-van-Eyck-Ausstellung im Museum der Schönen Künste in Gent besuchen. Denn immerhin brachte sie die Hälfte der nur rund 20 erhaltenen, inzwischen über ganz Europa verteilten Werke des Malers zusammen. Schade, dass auch diese Schau wegen der Corona-Krise viel früher als geplant schließen musste. Ein Trost: In einer schönen Online-Führung auf YouTube bleibt sie auf Dauer präsent im Netz.
Da kann man nun weiterhin staunen über winzige Architekturdetails etwa, über die feinen Spritzer des gemalten Brunnenwassers und über jedes Haar, das Jan van Eyck an den Körpern von Adam und Eva erfasst hat. Eine halbe Stunde etwa führt Co-Kurator Till-Holger Borchert durch die Ausstellungssäle in Gent und lässt uns tief blicken in diese Werke, ihre Geschichte und ihr Nachleben. Das ist nur der Anfang. »The Stay At Home Museum« bietet Kunsterlebnisse für daheim.
Zu Besuch in Brüssel
Auf die Spuren von Pieter Bruegel d.Ä. begibt man sich in Brüssel. Mit dem Generaldirektor Michel Draguet geht es in die Königlichen Museen für Schöne Künste, wo fünf Gemälde aus Bruegels schmalem Oeuvre bewahrt werden; nach Wien ist es die zweitgrößte Sammlung überhaupt. Draguet erklärt und deutet so wichtige Werke wie »Der Sturz der rebellierenden Engel« von 1562, oder die drei Jahre darauf gemalte »Winterlandschaft mit Eisläufern und Vogelfalle«. Eingehend betrachtet er auch die 1566 entstandene »Volkszählung zu Bethlehem«. Das biblische Geschehen wird hier kurzerhand in ein verschneites flämisches Dorf verlegt, wo es nur so wimmelt von Figuren und Geschichten. Interessant auch der Blick auf den »Sturz des Ikarus«, denn die eigentliche Hauptperson ist nur mit Mühe zu entdecken: Zwei kleine Beine und ein paar Federn, mehr sieht man nicht in der Bucht, der Rest von Ikarus ist bereits kopfüber untergetaucht.
Im Antwerpener Rubenshaus

Eine weitere Folge der mit einigen hunderttausend Zuschauern mittlerweile sehr erfolgreichen Online-Museums-Serie entführt den Kunstfreund nach Antwerpen ins Rubenshuis. Gemeinsam mit Museumsleiter Ben Van Beneden durchstreift man jenes Anwesen, das Peter Paul Rubens 1610 erworben und im Stil eines italienischen Renaissance-Palazzo um- und ausgebaut hatte. Bis zu seinem Tod 1640 lebte und schuf Rubens hier einen Großteil seines Werks. Bis heute bewahrt das Haus einige Spitzenstücke – jenes Selbstporträt etwa, in dem sich der Maler als selbstbewusster Gentleman von 52 Jahren präsentiert. Nach der gründlichen Restaurierung schaut das berühmte Bildnis seit kurzem wieder so aus, wie es einst bei Rubens auf der Staffelei stand.
Auch vor dem Gemälde »Heinrich IV. in der Schlacht von Ivry« bleibt Van Benden gerne etwas länger stehen. Ein persönlicher Favorit sei das unvollendete Werk, so der Experte. Denn hier könne man den Meister sozusagen in Aktion, direkt bei der Arbeit beobachten – wie er die bewegte Komposition direkt auf der Leinwand anlegt und die Akteure dabei in den unterschiedlichsten Posen festhält.
An die belgische Nordseeküste – zu James Ensor
Eine weitere Ausstellungstour macht bekannt mit einem anderen wichtigen Flamen: Der Weg führt an die belgische Nordseeküste nach Ostende, wo James Ensor 1860 zur Welt kam und bis zu seinem Tod 1949 über einem Souvenierladen lebte. Inspiriert vom Karnevalstreiben in der Küstenstadt brachte der Maler mit hellen, heftigen Farben seine grellen, gruseligen Maskeraden auf die Leinwand. Mieke Mels, Kuratorin am Mu.ZEE in Ostende, kann schöne Beispiele zeigen, denn ihr Haus bewahrt mehr als 20 von Ensors Gemälden, dazu Dutzende von Radierungen.
Alle »The Stay At Home Museum«-Führungen finden sich auf dem YouTube-Kanal von Flandern Tourismus: https://www.youtube.com/user/visitflanders
Auf der Facebook-Seite der »Flemish Masters 2018-2020« sind außerdem alle Live-Premieren, aber auch Frage-und-Antwort-Runden zu finden.