Schriller Mummenschanz, schräge Maskeraden. Dafür ist James Ensor (1860 – 1949) bekannt. Pierrots und Schurken, Rotznasen und Richter in roten Roben bevölkern die Bildwelt des Belgiers. Er malte sich selbst in der Rolle des Heilands oder Knochenmänner, die sich um einen Hering streiten. Mit hellen, heftigen Farben und jeder Menge spöttischem Hintersinn brachte der künstlerische Querdenker solche Einfälle auf die Leinwand und wurde damit noch zu Lebzeiten für eine ganze Reihe von Kollegen zum Anreger, zum Impulsgeber: Expressionisten wie Surrealisten konnten sich einiges abschauen beim Eigenbrötler aus Ostende. Neben Größen wie van Gogh und Gauguin wird James Ensor gar als Wegbereiter der Moderne gehandelt. Auch unter den Kreativen späterer Generationen fand seine Kunst viele glühende Bewunderer.

Sein Werk ist regelrecht verwoben mit Ostende. Die Mutter betrieb hier einen Souvenirladen. Ausgestopfte Meerestiere und Muscheln, alte Bücher, chinesisches Porzellan und Karnevalsmasken – das kuriose Sammelsurium in den Regalen faszinierte den kleinen James und inspirierte ihn ein Leben lang. Auch Ostendes Straßenzüge, die Meeransichten finden sich wieder in seinen Werken. Und die heimischen Leckereien: Austern, Hering, Pommes frites. Ensor hielt die im Nebel versinkende Dachlandschaft mit ihren Kaminen und Mansarden fest, auf die er aus seinem Fenster blickte, wenn kein Mensch zu sehen war. Und seine Bilder flanierender Urlauber in Ostende werden zum bitterbösen Panorama der damaligen Gesellschaft.
Wer eintauchen will in die Lebenswelt des Sonderlings, ist richtig im Ensor-Haus, das der Maler 1917 bezog und als eine Art Privatmuseum ausstaffierte. Es ist erweitert worden und nun als neues Ensor-Erlebniszentrum endlich öffentlich zugänglich. Der international anerkannte Maler, dessen Werke in den renommierten Museen der Welt hängen, verbrachte sein gesamtes Leben in nur einer Straße: in der Vlaanderenstraat Nummer 27. Das Gebäude ist bis heute in seinem Originalzustand erhalten geblieben. Zusammen mit dem angrenzenden Eckgebäude ergibt es nun das neue Ensor-Haus – auf mehr als 1100 Quadratmetern gibt es hier nicht nur Originalwerke, sondern (durch Virtual Reality) auch die Lieblingsorte des Meisters zu entdecken.
Wer Ensors Oeuvre noch genauer kennenlernen will, kommt nicht am Mu.ZEE vorbei, denn es bewahrt mit über 20 Gemälden und Dutzenden von Radierungen die größte Ensor-Sammlung. Dazu gehört auch das ironische Selbstporträt aus den 1880er Jahren, auf dem der „Maler der Masken“ sich in Rubens-Pose mit wachem Blick und buntem Blumenhut in Szene setzt. Ein Exzentriker – ausgestattet mit einer großen Heimatliebe.