Selbstbewusst positioniert sich das KMSKA unter Europas Topmuseen. Aus gutem Grund: Die Sammlung umfasst mehr als 8400 Werke und überspannt den Zeitraum vom Spätmittelalter bis zur Moderne auf konstant hohem Niveau. Im Vergleich mit ähnlich strukturierten Spitzensammlungen wie dem Nationalmuseum in Stockholm, dem Palais des Beaux-Arts in Lille oder dem Frankfurter Städel Museum kann die Kollektion sich bestens behaupten.
Damit der Besucher von der Fülle der 650 ausgestellten Werke nicht überwältigt wird, hat das Museum eine Art Vorsortierung vorgenommen. Zum einen wählten die Kurator*innen 100 Kernwerke aus, die man bei einem ausgedehnten Rundgang ansteuern sollte – sie sind mit einem eigenen Hinweisschild markiert. Wer weniger Zeit hat, dem sei die »Shortlist« mit den – gleichfalls durch Beschriftung kenntlich gemachten – 25 ultimativen Highlights empfohlen.
Geht man die Entdeckungstour chronologisch an, so findet sich das erste »Must see« des KMSKA in der Sektion der »Flämischen Primitiven«. Die Rede ist von altniederländischen Meistern wie Jan van Eyck oder Rogier van der Weyden, die im 15. Jahrhundert im heutigen Belgien lebten. Herausragend auch die Schätze der Barockmalerei – Jacob Jordaens, Anthonis van Dyck und Peter Paul Rubens sind mit bedeutenden Werken vertreten.
Als fein ziselierte Miniatur schlägt Jan van Eycks 1437 datierte Zeichnung der heiligen Barbara die Betrachter*innen in den Bann. Der im Hintergrund wiedergegebene Kirchturm ist noch nicht ganz fertig, aber bereits bis zu einer beträchtlichen Höhe errichtet und erlaubt einen aufschlussreichen Blick in das Baugeschehen einer gotischen Kathedrale.
Ein Bild von Hans Memling – 16 Jahre restauriert
Jean Fouquets Darstellung der thronenden Madonna mit dem Christuskind (um 1450) ist als Andachtsbild konzipiert. Doch verstand es der französische Buch- und Tafelmaler, den erotischen Reiz der Gottesmutter zu betonen – er zeigt Maria mit mehr als freizügigem Dekolleté, das ihre kugelrunden Brüste zur Geltung bringt. Keinesfalls verpassen sollte man Hans Memlings Triptychon »Christus, umgeben von singenden und musizierenden Engeln« (1483–1494). Die drei Tafeln, die erst Ende des 19. Jahrhundert ins Antwerpener Museum gelangten, wurden zuletzt einer Restaurierung unterzogen, die sage und schreibe 16 Jahre dauerte. Die Mühe hat sich gelohnt.
Das 17. Jahrhundert, gerühmt als Goldenes Zeitalter der niederländischen und flämischen Malerei, ist im KMSKA durch zahlreiche hochkarätige Arbeiten vertreten. Seine »Anbetung der Könige« setzte Peter Paul Rubens mit temperamentvollem Pinselduktus wie eine Operndarbietung in Szene. Der in Antwerpen lebende Malerfürst, dessen ehemalige Wohn- und Werkstatt heute ein Museum ist, schuf das Bild 1624 für die Abteikirche St. Michael. Ergreifend die »Beweinung Christi«, die Anthonis van Dyck um 1640 malte. Der in Antwerpen geborene Künstler, als Porträtist auch am englischen Hof hochgeschätzt, verleiht der Trauer um den Tod von Jesus Christus in beredten Gesten Ausdruck.
Setzen wir unsere Zeitreise fort im ausgehenden 19. und frühen 20. Jahrhundert, so treffen wir auf zwei Künstler, die im KMSKA eine besonders wichtige Rolle spielen, weil das Museum von beiden den größten Werkbestand bewahrt: Der belgische Symbolist James Ensor (1860–1949), dessen Maskenbilder während der Corona-Pandemie zusätzliche Aktualität gewannen. Und sein Landsmann Rik Wouters (1882–1916) – der frühverstorbene Maler und Bildhauer hat seiner Lebensgefährtin Nel in vielen Werken eine bewegende Liebeserklärung gemacht.
Bei den KMSKA-Highlights des 19. Jahrhunderts gibt James Ensor den Ton an. Sein Gemälde »Die Intrige« (1890) steht beispielhaft für die fantastischen Visionen des Malers, der mit Dämonen, Skeletten und maskierten Figuren die absurden Seiten des Daseins zur Anschauung brachte. In die unbeschwerte Welt der häuslichen Arbeit dagegen entführt uns Rik Wouters mit seinem Bild einer bügelnden Frau.
Das 1912 entstandene Gemälde zeigt Hélène Philomène Lionardine Duerinckx, genannt Nel. Die Lebensgefährtin des schon mit 34 Jahren an einer Krankheit verstorbenen Künstlers war zugleich sein wichtigstes Modell. In dem lichterfüllten Bild verschmilzt sie nahezu mit dem Interieur. Eine Liebeserklärung an Nel – und an das stille Glück der häuslichen Idylle.
Mehr Infos gibt es hier: https://kmska.be