// Das Jahr 1976 war ein ziemlich gutes für die Fotografie. Auch wenn Hilton Kramer, als Kunstkritiker für die New York Times unterwegs, und viele seiner Kollegen das damals anders gesehen haben. Im New Yorker Museum of Modern Art lief die Ausstellung »Photographs by William Eggleston«, eingerichtet von John Szarkowski. Heute ist es leicht, rückblickend von einem fotografiegeschichtlichen Zeitenwechsel zu sprechen, der damit begann. Wie schwer hingegen es war, diesen Umbruch erkannt und durchgesetzt zu haben, zeigen die Reaktionen der zeitgenössischen Kritik. Im zur Ausstellung erschienenen »William Eggleston’s Guide« behauptet Szarkowski, Egglestons wie Schnappschüsse anmutende,
außergewöhnlich kolorierte Fotos von gewöhnlichen Dingen seien als Bilder »vollkommen«. Vollkommen? »Vollkommen banal vielleicht. Ganz sicher vollkommen langweilig«, antwortete ihm Kramer. Schnell avancierte die Ausstellung zum Ärgernis des Jahres. Diese scharfe Ablehnung lässt erahnen, auf welche Widerstände Szarkowskis Vorhaben stieß, die inWerbung und Journalismus längst durchgesetzte Farbfotografie ins Museum zu bringen.
1962 übernahm der 1925 in Ashland, Wisconsin, geborene John Szarkowski auf Vorschlag seines Vorgängers Edward Steichen die Leitung der fotografischen Abteilung des MoMA. In den 29 Jahren seiner Tätigkeit zeigte er rund 160 Ausstellungen. Diane Arbus verhalf er 1967 genauso wie Garry Winogrand und Lee Friedlander mit der ebenfalls kritisch aufgenommenen Ausstellung »New Documents« zum Durchbruch. Eugène Atget entdeckte er neu, und er sorgte dafür, dass die Arbeiten Walker Evans’, Edward Westons oder Ansel Adams’ die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erhielten. John Szarkowski, 2007 in Pittsfield, Massachusetts, gestorben, war einer der bedeutendsten und einflussreichsten Kuratoren in der kurzen Geschichte der Fotografie – und er war derjenige, der ihr als Kunstform endgültig zum Durchbruch verhalf.
Die Berufung ans MoMA eröffnete dem 36-Jährigen nicht nur die Chance, eigenen ästhetischen Positionen einflussreich Geltung zu verschaffen; sie bedeutete auch eine Zäsur für seine Arbeit als Fotograf. Mit »The Idea of Louis Sullivan« (1956) und »The Face of Minnesota« (1958) hatte Szarkowski gerade zwei größere Veröffentlichungen vorgelegt, als ihn 1961 der Ruf des Museums erreichte. Leider sei die Zeit sehr ungünstig, ließ Szarkowski die Herren in New York wissen. Schließlich habe er gerade, gefördert von der Guggenheim Foundation, ein neues Projekt begonnen, das er seit Jahren mit sich herumtrage. Aber in ein paar Monaten würde es passen. Natürlich blieb dieses Projekt – eine Serie über eine im Norden von Minnesota gelegene Seen-Landschaft – unvollendet. Denn Szarkowski war sich durchaus bewusst, dass er ein derartiges Angebot nicht ablehnen konnte, genauso wie der unangenehmen Tatsache, dass ihm die neue Aufgabe keine Zeit mehr lassen würde, weiterhin selbst zu fotografieren.
So stammt dann auch keines der 58 Bilder der Ausstellung »John Szarkowski. Photographs« aus der Zeit zwischen 1962 und 1992. Noch zu Lebzeiten des Fotografen für das San Francisco Museum of Modern Art konzipiert, ist die Retrospektive nun bis zum4. April 2009 im Bottroper Museum Quadrat zu sehen. Schon in den frühen Arbeiten Szarkowskis aus den späten 1940er Jahren zeigt sich ein ausgeprägter Wille zur ebenso detailverliebten wie abstrahierenden Flächigkeit – und der bis ins motivische Zitat reichende Einfluss Edward Westons. Trotz ihrer kompositorischen Geschlossenheit sind diese Fotos durchlässig genug für Formen, die der Mittlere Westen hervortreibt. In komplexen Arrangements fängt Szarkowski hier das sogenannte einfache Leben ein. In Wisconsin, wo der Fotograf aufgewachsen ist, und später in Minnesota hat er immer wieder amerikanische Leute, vor allem aber ihr Land in den Blick genommen. Mit Aufnahmen von suggestiver Strenge und samtener Eleganz.
In Buffalo, wo Szarkowski von 1951 bis 1953 Fotografie an der Albright Art School unterrichtet, verfolgt er hingegen die Spuren des Architekten Louis Sullivan. Wollte Szarkowski zunächst lediglich ein paar Fotos des »Guaranty Building« zum eigenen Gebrauch für seine Seminare machen, ist er selbst überrascht, dass die Nahaufnahmen der ornamentalen Fassadenhaut des Bürogebäudes als autonome Kunstwerke für sich zu stehen vermögen. Zugleich ist Szarkowski überzeugt, »The Idea of Louis Sullivan« mit der Kamera besser zu »verstehen« als es die herkömmliche Architekturkritik vermag. Also reist er Mitte der 1950er Jahre durch die USA, um von Sullivan entworfene Bauwerke, eingebettet in ihren sozialen wie städtebaulichen Kontext, aufzunehmen. So entsteht eine urbane Blütensammlung von wuchtiger Schönheit.
Doch es ist weniger die Großstadtlandschaft, der Szarkowski neue Perspektiven abzugewinnen versucht. Mehr ist es das amerikanische Land, dessen Wildwuchs er auch nach seiner Pensionierung immer wieder mit der Kamera in Form bringt. Wenn die Ernte nicht so fein wäre, könnte man etwas pathetisch sagen, Szarkowski habe sein Land mit der Kamera durchpflügt. So wie die Farmer die Äcker im Mittleren Westen, dessen uramerikanischem Themenkreis Szarkowski bis zuletzt verbunden geblieben ist. //
Bis zum 4. April 2009 im Quadrat Bottrop. Tel.: 02041/29716, www.quadrat-bottrop.de