TEXT: STEFANIE STADEL
Hämmern und Bohren überall, auf dem Flur riecht es nach Farbe und frisch verlegtem Teppichboden. Da kommt, leicht verspätet aber voller Elan, die strahlende Hausherrin heran geeilt. Marion Ackermann führt sofort in ihr renoviertes Büro mit Blick auf den Grabbeplatz. Aus dem Interimsquartier am Kaiserteich erst vor einer Woche hierher gezogen, genießt die Direktorin nun in vollen Zügen das Flair der Seventies. Und vielleicht noch mehr den erhebenden Hauch großer Amtsvorgänger, der sie zwischen den vier Bürowänden umgibt. Immerhin residierten vor ihr Armin Zweite und Werner Schmalenbach hier oben – was will die ehrgeizige Museumsfrau mehr?
Traditionsbewusst führt denn auch Ackermanns erster Gang nicht zur Sitzgruppe in der Mitte des Raumes, sondern zielstrebig zum Tresorschrank direkt hinter ihrem Chefsessel. Schmalenbach habe ihn einbauen lassen, um Werke, die ans Haus kommen sollten, vorher lange, gründlich und ungestört begutachten zu können. Expressionismus, Kubismus, Fauvismus, Surrealismus, Dada … vor seinem Kennerauge hatten nur meisterliche Einzelstücke eine Chance. Schmalenbach zog das Topstück an der Wand immer dem vollen Depot vor. Qualität statt Quantität – ein Prinzip, mit dem die Nachfolgerin ganz und gar d’accord geht. Auch wenn aktuell nur ein paar spärlich bekritzelte Leinwände in Schmalenbachs Schrank lagern, Relikte einer missglückten Kunstaktion zur großen Wiedereröffnung.
Das Datum dieses Ereignisses geistert seit Monaten auf Plakaten durch die Landschaft. Zwar kann man es sich im Baustellenchaos, das noch Mitte Juni draußen vor Ackermanns Fenster und drinnen hinter den schwarz-glänzenden Museummauern der 80er Jahre wütet, schwer vorstellen. Doch schon am 10. Juli wird die Direktorin die durch einen quaderförmigen Bau großzügig erweiterte Kunstsammlung K20 feierlich eröffnen.
Ziemlich genau 2000 zusätzliche Quadratmeter für Ausstellungen stehen ihr dann im granitverkleideten Anbau zur Verfügung. Verteilt auf zwei große säulenlose Rechteck-Säle, die durch einen elegant-transparenten Treppenturm verbunden sind und durch flexible Wände gegliedert werden können. Der eine im Erdgeschoss weit und eher streng mit Steinboden: 1100 Quadratmeter groß, fast sieben Meter hoch und künstlich beleuchtet. Der andere darüber: etwas kleiner, mit nur gut viereinhalb Meter hoher Decke, wärmer und intimer wirkend, auch durch den Parkettfußboden. Er lässt sich wahlweise durch Tages-, Lampenlicht oder einen Mix aus beidem erhellen.
Ackermann schwärmt von der räumlichen Vielfalt im K20, die jeder Kunst eine passende Umgebung biete: »Ich bin noch nie ein Freund des sterilen White Cube gewesen«. Auch kahle Ausstellungshallen sind offenbar nicht ihre Sache. Statt die neue Architektur für sich wirken zu lassen – »das wäre doch viel zu schade« –, wird sie ihre neuen Säle am 10. Juli spektakulär in Szene setzen – mit Hilfe zeitgenössischer Künstler und einer »ephemeren Festarchitektur«. Mehr verrät Ackermann nicht. Bis zur Bescherung hüllt sie sich, geheimnisvoll lächelnd, in eisernes Schweigen: »Es soll doch schließlich eine Überraschung werden.«
Neben den ungenannten Gästen werden viele alte Bekannte einziehen. All die erlesenen Klassiker, die meisten aus Schmalenbachs Ära. Viele davon kehren direkt aus dem K21 zurück – vom viermonatigen Gastspiel namens »Silent Revolution«. Dort, im Ständehaus, hatten Beckmann, Kandinsky, Picasso, Calder, Klee und Co. Kontakt zu den jüngeren Kollegen der Sammlung aufgenommen, im Mit- und Gegeneinander den »stillen Aufstand« geprobt.
Am Grabbeplatz zeigen sich die Stars nun wieder pur, konzentriert. Es ist, was alle sehen wollen. Dort, wo man es immer finden konnte. Allerdings nicht ganz so, wie es bisher präsentiert wurde. Denn Ackermann hat oben im Bestandsbau die bisher starren Wände durch neue ersetzt, die beweglich sind, was man ihnen aber nicht anmerkt. Mit diesen temporären Einbauten gliedert sie das Geschehen sehr kleinteilig, gibt jedem Werk eine eigene Wand und führt den Besucher gezielt aufs Einzelstück hin.
Ist die Neue in Düsseldorf mit dieser puristischen Präsentation etwa wieder ein Stück von der zuvor so oft beschworenen Dynamisierung, von der Durchmischung der Sammlung und der Betonung ihrer Einheit abgerückt? Natürlich nicht. Die oft zitierten Ziele bleiben. Und die mobilen Wände deuten an, dass sie die Präsentation in Bewegung halten, Verschiedenes ausprobieren will. »Jeder schaut aufs erste Projekt, mit dem man in Erscheinung tritt. Mir geht es aber auch um den Prozess, auch im Umgang mit der Sammlung an sich, die Überraschungen birgt und Erwartungen aufbaut«, so Ackermann. Ein Thema, das die nächsten Jahre hindurch zentral sein werde und das sie sehr viel dynamischer angehen will als ihre Vorgänger.
Indem sie mischt, neu sortiert, indem sie Werke hin und her wandern lässt zwischen den Häusern. Und auch, indem sie Platz macht für Eingriffe prominenter Zeitgenossen im und um das Klassiker-Quartier am Grabbeplatz. Am 10. Juli wird neben dem neuen Anbau eine eigens für diesen Ort entwickelte Arbeit von Olafur Eliasson eingeweiht, die man aus zwei Geschossen des Gebäudes, durch das sogenannte Blumenfenster, betrachten kann. Außerdem eine pflegeleichte Kachelwand, die Sarah Morris nach dem Muster ihrer jüngsten Origami-Serie für die nördliche Abschlusswand des Paul-Klee-Platzes entworfen hat: Zahllose Faltungen überziehen die 175 Quadratmeter große Fläche mit einem kunterbunten, geometrischen All-over.
Joep van Lieshout machte sich am Café im Sammlungsbereich zu schaffen – und bemühte dabei das gestalterische Repertoire des Surrealismus und des Kubismus. Wie würde Kubismus heute aussehen? Lieshout beantwortet sich die Frage mit kleinen, primitiv-modern anmutenden Möbel-Skulpturen, die Tisch und Stuhl miteinander verbinden.
Sollen die zeitgenössischen Zugaben im K20 auf Dauer bleiben? »Ich bin immer etwas vorsichtig mit dauerhaften Eingriffen«, so Ackermann. »Weil es ja sein kann, dass die Dinge in zehn Jahren wieder ganz anders gesehen werden«, sagt sie und denkt dabei ganz bestimmt vor allem an ihre schlechten Erfahrungen mit Reinhard Muchas »Deutschlandgerät«. Hatte ihr doch die laut geäußerte Idee, jene raumfüllende Festinstallation im Ständehaus abzubauen, gleich zum Start in Düsseldorf jede Menge Ärger eingebracht.
Wenn man Ackermann lauscht, sich anhört, wie sehr sie bei ihrer Arbeit auf Bewegung, neue Zusammenhänge, unterschiedliche Formen der Präsentation setzt, wird einem sehr schnell klar, dass jenes womöglich unverrückbare Gerät mitten im K21 ihr schwer auf der Seele lasten muss.
Auch dem K20 gönnt die umtriebige Hausherrin keine allzu lange Verschnaufpause. In wenigen Wochen schon muss das feierliche Kunst-Tamtam aus den neuen Hallen weichen, das Feld räumen für die Großausstellung zur Quadriennale im September: Dann wird Beuys total 3.000 Quadratmeter am Grabbeplatz füllen.
10. Juli 2010 – Wiedereröffnung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen K20 am Grabbeplatz. Freier Eintritt ins K20 und K21 vom 10. bis zum 25. Juli. Tel.: 0211/83 81 130; www.kunstsammlung.de