TEXT: STEFANIE STADEL
Ein rätselhaftes Arrangement: Hier zieht der Pinsel in gestischen Schwüngen durch dicke Farbe, daneben fällt der Blick ins haarscharf gesehene Auge eines Reptils. Gleich doppelt vertreten ist die blonde Locke vor gelbem Grund – vielleicht ein Ausschnitt aus der Shampoo-Werbung? Noch schwerer zu durchschauen sind drei völlig diffuse Impressionen: Man denkt an ferne Lichter im dichten Nebel, ahnt einen Sonnenuntergang, versucht, im rot-weiß-verschwommenen Gewölk einen Blütenbusch auszumachen.
Eberhard Havekost selbst war es, der die zehn Gemälde an der Wand im Museum Küppersmühle gleichsam zusammenstoßen ließ. Zu Ziel und Zweck des Crashs machen allerdings weder Maler noch Museumsleute griffige Aussagen. Man muss sich seinen eigenen Reim auf das widersprüchliche Ensemble dichten – das gilt auch für den Rest der Schau mit rund 100 Arbeiten des 1967 in Dresden geborenen Künstlers, der seit drei Jahren eine Malereiprofessur an der Düsseldorfer Akademie inne hat.
DIE REIHE »AKEDEMOS«
Havekost ist nun schon der achte Professor, dem die Küppersmühle in ihrer Reihe »Akademos« eine Bühne bereitet. Und seine selbst durchgeplante Schau gehört sicher zu den schwierigsten, auch zu den überraschendsten. Zumindest für alle, die Havekost aus früheren Jahren kennen. Denn groß heraus kam der gelernte Steinmetz und studierte Künstler Ende der 90er – als die neue Malerei aus dem Osten boomte – mit akribisch gemalten Ausschnitten der Realität: Von der tristen Plattenbaufassade über den vorbei eilenden IC bis zur spiegelnden Sonnenbrille im glatten Frauengesicht. Alles ganz realistisch und natürlich klar zu erkennen.
Jene gern gekauften, auf Sammlungen in aller Welt verteilten Werke lässt Havekost in Duisburg aber außen vor. Die hier versammelten Gemälde stammen alle aus den vergangenen fünf, sechs Jahren, in denen sich sein Werk »extrem erweitert« habe, wie er selbst betont. An die Stelle des zweifelsfreien Gegenstands treten vermehrt Rätsel: verschwommene Ausschnitte, verwischte Zitate, wilde Pinselschwünge, bis hin zur reinen Abstraktion. Die Richtung ist schwer auszumachen, doch was Methoden und Ziele angeht, bleibt der Maler sich durchaus treu. Immer wieder ging und geht es ihm darum, wo und wie wir heute Dinge visuell wahrnehmen.
VOM FOTO ZUM BILDSCHIRM ZUM PINSEL
Wesentliches Medium der Vermittlung ist inzwischen fraglos der vom Künstler wiederholt gemalte, auch in der Duisburger Schau großformatig vertretene Monitor. In Havekosts Werk hat der Apparat seinen festen Platz. Als Bildgegenstand – und noch vielmehr als Arbeitsinstrument. Denn wie einst die Balkone, Fassaden, Schnellzüge, so nehmen auch seine aktuellen Gemälde ihren Weg über das flimmernde Ding: Havekost scannt selbstgemachte oder vorgefundene Fotos ein, die er am Bildschirm bearbeitet, ausdruckt und schließlich malerisch umsetzt – ganz herkömmlich aus der Hand mit Pinsel und Ölfarbe auf Leinwand.
Das braune Bein aus der H & M-Werbung, ein dicker Brocken Mondgestein, die Innenseite der Autotür, ein Stück Würfelzucker – alle haben sie den doch recht langwierigen Prozess durchlaufen. Auch der bis zur Unkenntlichkeit vernebelte Sonnenuntergang und jene Baumstämme, die aus nächster Nähe, wie durch ein Wasserglas gesehen und grell verfremdet, kaum mehr zu identifizieren sind.
Seit wenigen Jahren erst testet Havekost die gesamte Skala der Wiedererkennbarkeit aus, treibt seine digitale »Entschlackung«, Verdichtung, Montage und die anschließende malerische Interpretation dabei über die Grenzen der Abstraktion hinaus. Ein Begriff, den der Maler selbst wahrscheinlich kaum mehr in den Mund nimmt – zumindest, wenn es um seine eigene Arbeit geht. Denn der für das 20. Jahrhundert noch wesentliche, allgegenwärtige Gegensatz zwischen Figuration und Gegenstandlosigkeit, bei Havekost scheint er verschwunden, oder besser, überwunden.
ZWISCHEN REALITÄT UND REPRODUKTION
Was den Maler vielmehr interessiert, ist das Spannungsfeld zwischen Realität und Reproduktion. Havekost malt Bilder nach Bildern nach Bildern, die am Ende vor allem eines bezeugen: Dass die Wirklichkeit visuell nur schwer fassbar und noch schwerer darstellbar ist. Das wird wohl auch der Grund dafür sein, dass er seine Bilder gerne »Benutzeroberflächen« nennt – sie geben nicht die Wahrheit wieder. Im Gegenteil: Mit jedem weiteren Abbild vom Abbild rücken die Tatsachen in zunehmende Ferne, so Havekosts Botschaft. In seinem Duisburger Auftritt bringt er sie lauter denn je vor. Zuweilen provokant und manchmal auch ironisch. Etwa, wenn er sich unter dem Titel »Schöner Wohnen« Gerhard Richters Farbfeldabstraktionen aneignet, sie vernebelt oder durch graue Ränder bereichert.
Vor allem mit dem Blick auf das Werk der letzten Jahre wird klar: Havekost malt keine Beine, keine Bäume, keine blonden Locken und auch keine Lichter im Nebel. Er malt immer nur eines: Bilder. Bilder, die vom Sehen handeln, von der Wahrnehmung in Zeiten digitaler Allmacht. Auch von der Verführungskraft von Bildern – egal, ob sie fotografiert, gefilmt oder gemalt sind.
Museum Küppersmühle, Duisburg, bis 20. Oktober 2013. Tel.: 0203/301948 10. www.museum-kueppersmuehle.de