2024 stand das Kölner Antiquariat von Klaus Willbrand kurz vor der Pleite – bis ihn die Idee einer jungen Freundin rettete: Daria Razumovych postete seine klugen Streifzüge durch die Literaturgeschichte in den Sozialen Medien – und machte ihn überraschend zum Star auf Instagram und Tik Tok. Im Januar 2025 ist Willbrand mit 83 Jahren gestorben. Nun ist »Einfach Literatur. Eine Einladung« erschienen.
Was mich bewegt…ist, dass unser gemeinsames Buch »Einfach Literatur! Eine Einladung« erschienen ist. Nicht nur, dass es erschienen ist, sondern auch die Geschichte dahinter, die eng mit Klaus Willbrand und dem Antiquariat verbunden ist. Ich erinnere mich noch, wie der Anruf des Verlags S. Fischer kam: Ich war zu dem Zeitpunkt nicht im Laden und Klaus hat das Angebot sofort abgelehnt – er sei kein Schriftsteller. Als ich am nächsten Tag da war, erzählte er mir das ganz beiläufig. Ich schaute ihn verwirrt an, fragte: Was hast du gemacht? Da hat er sich gefangen und nochmal nachgedacht. Schließlich meinte er zu mir: Ja, dann ruf da halt nochmal an, aber sag denen, dass ich das nur mache, wenn du auch mitschreibst! Uns hat beide sehr bewegt, dass wir in so kurzer Zeit eine so große Reichweite in den sozialen Medien aufbauen konnten – und dann sogar so eine Anfrage auf uns zukam. S. Fischer ist ja nicht irgendein Verlag, sondern für Klaus neben Suhrkamp und einigen anderen das beste Verlagsumfeld, das er sich hätte vorstellen können.
»Für Klaus war das vor seinem Tod neben dem Antiquariat das wichtigste Projekt.«
Daria Razumovych
Bewegend war auch der Entstehungsprozess des Buchs, weil wir sehr eng zusammen daran gearbeitet haben. Meistens haben wir uns sonntags abseits der Arbeit für Social Media mit unseren beiden Laptops hingesetzt und jeder hat an seinem eigenen Text geschrieben. Das waren sehr schöne Momente, die mir sehr im Kopf geblieben sind: ganz andere Zusammenkünfte, mit einem anderen Ziel, ohne Kamera, die auf Klaus gerichtet war. Er hat dabei viel Persönliches erzählt aus der Kindheit, weil es darum im Text ja auch geht. Es ging dann ja weiter mit vielen Pausen durch seine Krankenhausaufenthalte, der Prozess geriet ins Stocken. Es entstanden Sorgen bei uns beiden, aber vor allem bei mir, ob das Buch fertig wird. Ein paar Monate vor der Veröffentlichung dann der Schicksalsschlag: Klaus stirbt. Das macht es umso bewegender, dass das Buch dennoch erscheinen konnte. Ich erinnere mich noch: Als wir begriffen haben, dass er wahrscheinlich nicht mehr aus dem Krankenhaus rauskommt, weil es ihm wirklich schlecht ging, da wollte er ganz sicher gehen, dass das Buch trotzdem erscheint. Ich habe mit dem Verlag telefoniert und sofort signalisiert bekommen, dass alle es unbedingt wollen. Sie haben Klaus einen Blumenstrauß übermittelt mit dieser Botschaft. Für Klaus war das vor seinem Tod neben dem Antiquariat das wichtigste Projekt.
Noch im Trauerprozess musste ich mich sehr intensiv mit der Fertigstellung des Buchs beschäftigen, musste mir Videos ansehen, Diktate transkribieren. Ich empfand das aber als gut und hilfreich. Es war schwer, aber wahrscheinlich besser als alles zu verdrängen. Man kann gar nicht in Worte fassen, was auch die ganze Anteilnahme der großen Community unserer Follower bewirkt hat. Ich war ja auch vorher immer schon der Puffer dazwischen und habe alle Nachrichten gelesen. Das hat alles nochmal beflügelt und emotionaler gestaltet.
Was für ein freudiges Ereignis war der Erscheinungstag! Ich habe das Buch im Buchhandel gesehen, mal besser, mal schlechter platziert, und wir haben es sogar drei Wochen lang auf die Spiegel-Bestsellerliste geschafft. Da hielt Klaus natürlich nichts von, aber es hätte ihn, glaube ich, doch im Stillen sehr gefreut. Bis heute verkauft es sich sehr gut. Mehr hätte sich Klaus sich nicht wünschen können.
Wie es mit dem Antiquariat weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Den Buchbestand habe ich übernommen, aber zum Beispiel die Mietverhältnisse müssen noch geklärt werden. Ich könnte mir durchaus vorstellen, ein Antiquariat zu leiten, es vielleicht ein wenig mehr ins Moderne zu übersetzen. Man müsste vielleicht auch noch jemand anderen, vielleicht auch älteren finden, der sich dort jeden Tag hinsetzt und die Leute gut beraten kann.
Aufgezeichnet von Max Florian Kühlem
NAME: DARIA RAZUMOVYCH
ALTER: 34
BERUF: DIGITALBERATERIN, FREIE LEKTORIN
WOHNORT: KÖLN
Daria Razumovych/Klaus Willbrand: Einfach Literatur! Eine Einladung, 208 Seiten,
22 Euro