//Im vereinten Europa spielen Grenzen Gott sei Dank kaum eine Rolle mehr, man arbeitet und lebt beinah überall, wo man mag, seit dem 1. Januar dieses Jahres hat sich der Schengen-Raum auch nach Polen und Tschechien ausgeweitet. Welches Land wem gehört, das beginnt, an Bedeutung zu verlieren. Daran zu erinnern, dass dies einmal anders war, aber behält seine Triftigkeit. Allein schon, um bewusst zu machen, welchen Fortschritt die Überwindung der Territorialstaatlichkeit bedeutet. Welch enormen Verlust an Gründen für Krieg.
Schlesien hieß so ein Grund, eines der Kerngebiete Mitteleuropas, beidseits der Oder gelegen. Es gehörte zu Großmähren, zum Königreich Polen, zur böhmischen Krone. Dann fiel es an Preußen. Fiel? Am 20. Oktober 1740 stirbt Karl VI., deutscher Kaiser, König von Ungarn, König von Böhmen und Erzherzog von Österreich. Ein europaweiter Streit um die Erbfolge entsteht. Der preußische König Friedrich II. erhebt Anspruch auf eins der böhmischen Kronländer, Schlesien. Am 16. Dezember 1740 marschiert er mit 27.000 Soldaten ein. Doch Schlesien ist keine leichte Beute. Es beginnt der erste der drei Schlesischen Kriege.
Deren Verläufe, deren Vorgeschichte präsentiert eine Ausstellung, in der ein nicht sehr bekanntes Museum den Blick auf ein weithin vergessenes Stück europäischer Geschichte lenkt: Das Oberschlesische Landesmuseum in Ratingen bei Düsseldorf zeigt »Anfang und Ende Preußens in Schlesien«.
Wie verliefen die Schlesischen Kriege, wie die Schlachten? Pläne und Karten beantworten diese Frage, Festungen wie Glatz, Cosel, Neiße und Silberberg rücken ins Blickfeld. Wie veränderte sich die Architektur solcher Städte, mit welchen Mitteln operierten Angreifer und Verteidiger? Gewaltige städtebauliche Unternehmungen wurden angestellt, freilich zu unfriedlichem Zweck. Erstmals ist umfangreiches Planmaterial öffentlich zu sehen – insgesamt wartet die Ausstellung mit über 500 Exponaten aus inund ausländischen Sammlungen auf.
Der dritte Schlesische Krieg endete 1763; doch die Ratinger Ausstellung geht in der Geschichte weiter. Die ersten Jahre des 19. Jahrhunderts sind auch in Schlesien geprägt von den Kämpfen mit und gegen Napoleon; aus Breslau aber kommen wichtige Impulse für die Freiheitskriege. Vom neuen engen Miteinander von Militär und Gesellschaft zeugen Andenken an die Dienstzeit in den schlesischen Garnisonen. Zu sehen ist, wie bereits zu jener Zeit die Medien die Massen zu beeinflussen suchten. Mit der Reichsgründung 1871 gehört Schlesien als Teil Preußens zum Deutschen Reich; die Lage nach Ende des Ersten Weltkriegs bringt eine gefährlich unklare Lage. Und das Ende des Zweiten Weltkriegs sieht das Land größtenteils zu Polen gehörig, ein kleiner Teil fällt an Tschechien. Die meisten der damals 4,5 Millionen deutschen Schlesier fliehen nah Westen oder werden vertrieben; erst 1991 wird die polnische Hoheit von der Bundesrepublik endgültig anerkannt. 2004 wird Polen Mitglied der Europäischen Union. Die Grenzen beginnen zu verblassen. UDE
Bis 2. März 2008. Tel.: 02102/96 50. www.oberschlesisches-landesmuseum.de