Text: Stefanie Stadel
»Mutter aller Kunstmessen«, so taufte man die Art Cologne. Und es ist noch nicht lange her, da klang dieser Beiname wie ein Kompliment. Inzwischen aber gilt die lange Tradition eher als Indiz für Ermüdung und Langeweile. Gegen die coole Konkurrenz zwischen Miami Beach und London, wo Kate Moss, Claudia Schiffer und die Creme der hippen Sammlerschaft sich die Hände geben, sieht die Art Cologne in der Tat etwas angestaubt aus. Seit drei Jahren müht sich Gérard Goodrow nun, die träge Patientin wieder flott zu machen: Er warb um internationale Gäste, schuf Freiräume für die Jungen und ein Förderprogramm für verkannte Künstler. Zu ihrem 40. Geburtstag letzten Herbst ließ der geschätzte Kölner Kunstmessechef die Art Cologne dazu noch mächtig abspecken – nur noch 185 Aussteller wurden bei der Jubiläumsausgabe zugelassen, im herbert Brandl: Ohne Titel, 2005; Öl auf leinwand 350 x 400 cm. Foto: Franz Schachinger, Wien. Brandl wird von der Galerie nächst St. Stephan vertreten und auch auf der art Cologne zu sehen sein. Jahr davor waren es noch rund 260. Jetzt ist Goodrows Radikalkur in eine entscheidende Phase getreten: Die Art Cologne gibt ihren angestammten Kalenderplatz im hektischen Herbst auf. 2007 geht sie erstmals im April über die Bühne. Werden die Therapiemaßnahmen greifen? Wird die Art Cologne sich erholen? K.WEST hat Galeristen nach ihrer Meinung zum Kölner Kunstmarkt gefragt.
Galerie Capitain
Gisela Capitain ist mit der eigenen Galerie gut 20 Jahre im Geschäft. Groß wurde sie mit Martin Kippenberger. Seit dem Tod des Skandalkünstlers vertritt und verwaltet Capitain seinen in Köln beheimateten Nachlass. Weitere Künstler im internationalen Programm der einflussreichen Galeristin sind Kippenbergers Weggefährten Albert Oehlen und Georg Herold, die Polin Monika Sosnowska, Johannes Wohnseifer aus Köln, Christopher Williams aus Los Angeles oder der in Havanna geborene Jorge Pardo. Obwohl sie einiges auszusetzen hat, hält Capitain zur Art Cologne. Die Messe sei immer wieder offen für Innovationen, sagt sie und lobt vor allem den »Open Space«. Wie die meisten Kollegen begrüßt Capitain die Verlegung des Messetermins ins Frühjahr. Für völlig ungeeignet hält sie allerdings den neuen Schauplatz des Kunstmarktes. Nach mehr als 20 Jahren hatte die Art Cologne das Feld hinter den denkmalgeschützten Fassaden der Rheinhallen für RTL räumen müssen. Ihr neues Heim fand sie 2005 in den Hallen neun und zehn der Kölner Messe. Eine echte Zumutung sei dieser Ort, so Capitain. Hier könne Goodrows anerkennenswerte Reduzierung der Ausstellerzahl kaum zum Tragen kommen. »Alles verläuft sich auf diesen Riesenflächen – das ist schade.« Für viel brisanter hält Capitain aber ein ganz anderes Thema: Die Menge der Messen hierzulande. Frankfurt, Berlin, Köln und demnächst noch Düsseldorf – bald gebe es bei uns vier Kunstmärkte, das sei einfach zu viel, meint die Galeristin. »Wir haben einen sehr, sehr starken Markt in Deutschland, was die Künstler und auch was die Galerien angeht. Umso beklagenswerter, dass wir uns dermaßen verzetteln.« Im Internationalen Messevergleich habe die Art Cologne natürlich ein bisschen an Bedeutung eingebüßt, sagt Capitain. Hinter der Frieze in London und der Art Basel, den beiden Stars auf europäischer Ebene, könnte sie sich aber wohl gut behaupten. Allerdings nur, wenn es gelinge, wieder mehr Konzentration auf dem deutschen Messeparkett zu erreichen.
Galerie BQ
Die jungen Aufsteiger Jörn Bötnagel und Yvonne Quirmbach wurden mit ihrer Kölner Galerie BQ schon früh bei den Top-Messen in Basel und London vorgelassen. Das reichte ihnen fürs erste, deshalb sparten sie sich in den vergangenen Jahren den Auftritt bei der Art Cologne. 2007 sind die beiden aber wieder dabei – nicht zuletzt, weil sie die vielen kauffreudigen Sammler im Rheinland erreichen wollen. »Die Messe war in einem ausgesprochen desolaten Zustand, das ist jetzt etwas besser geworden«, bemerkt Bötnagel. Und hat als dicken Pluspunkt den 2005 eingeführten »Open Space« im Auge, jene lässige Ausstellungslandschaft, in der ausgewählte Galerien junge, oft experimentelle Einzelpositionen präsentieren können. Solch hoffnungsvolle Zeichen täuschten natürlich nicht über das große Manko der Messe hinweg, so Bötnagel. »Es fehlt der Art Cologne ganz einfach an internationalen Galerien und Sammlern – hier klafft ein Riesenloch.« Die Kölner Messe habe viel zu wenig getan, um wichtige Galerien zu locken. Sie habe sich zu lange auf das eigene Renommee und die Tradition verlassen. »Da konnte die Konkurrenz mühelos aufholen.« Von der Bedeutung her sieht Bötnagel die Art Cologne jetzt irgendwo hinter der Frieze-Art-Fair in London, der Art Basel und ihrem Ableger in Miami Beach positioniert.
Galerie Hans Mayer
Mehr als 40 Jahre ist Hans Mayer Galerist, seit 1971 in Düsseldorf. Größen wie Alexander Calder und Frank Stella, Robert Rauschenberg, Roy Lichtenstein oder auch Robert Longo gehören in sein Programm. Auf dem Kölner Messeparcours zählte Mayer lange zu den Platzhirschen. So könnte es verwundern, dass er der Art Cologne diesmal eine kurze, dafür umso harschere Absage erteilt. Von Goodrows Neuerungen hält Mayer »überhaupt nichts«. Zumal die Reduzierung der Ausstellerzahl schon immer diskutiert worden sei. Den neuen Ort in den Hallen neun und zehn findet er »ganz furchtbar unübersichtlich«. Auf die Frage, was sich seiner Meinung nach ändern sollte, antwortet er »alles«. Im internationalen Kontext sieht Mayer die Messe »ziemlich weit hinten«. Momentan sei die Art Cologne klar auf der Verliererseite, so sein Resümee.
Galerie Eigen + Art
Als geschäftstüchtiger Galerist ist Gerd Harry Lybke nicht ganz unbeteiligt am sagenhaften Aufstieg der »Neuen Leipziger Schule«. Einst präsentierte er auch auf dem Kölner Kunstmarkt seine Schützlinge – darunter heute so namhafte wie Neo Rauch, Matthias Weischer, Tim Eitel oder Martin Eder. Seit einigen Jahren aber verzichtet Lybke auf die Reise an den Rhein. Die Art Cologne beurteilt der Erfolgsgalerist als »sehr gute Kunstmesse im nationalen Kontext«. Und die Sammler in Köln seien hervorragend. Doch hofft Lybke, diesen Kundenkreis mit seinen Galerien in Berlin und Leipzig zu erreichen. Um Kontakte zu internationalen Sammlern zu halten, sei Köln weniger geeignet. Deshalb zieht er Messeauftritte in der weiten Welt vor: London, Basel, Miami Beach…
Galerie Nächst St. Stephan
Rosemarie Schwarzwälders Galerie Nächst St. Stephan gehört zu den ersten Adressen in Österreich. Sie präsentiert internationale Positionen zeitgenössischer Kunst. Auf der Künstlerliste stehen unter anderen Helmut Federle, Katharina Grosse, Imi Knoebel, Sol LeWitt und Jörg Sasse, Josef Albers und Donald Judd. Schwarzwälder kommt seit vielen Jahren zur Art Cologne und fühlte sich bisher immer erfolgreich – der deutsche Markt sei für sie wesentlich. Auch dieses Frühjahr reist sie wieder an. Denn die Galeristin sieht die Art Cologne weiterhin als marktbeherrschende Messe im deutschen Raum – auch wegen der großen Zahl rheinischer Sammler, die man hier treffe. Die offensichtlichen Schwächen der Art Cologne seien, so Schwarzwälder, nicht nur hausgemacht: »Wichtige Berliner Galerien nehmen diese Messe nicht mehr wahr. Überhaupt fehlt es ihr an Internationalität.« Dieser Mangel, so hofft sie, könnte sich durch die Terminverschiebung ins Frühjahr vielleicht teilweise beheben lassen. Was ihren Stellenwert betrifft, so sieht Schwarzwälder die Art Cologne auf einer Ebene mit der Arco in Madrid und der Pariser Fiac: »Um die Messe noch besser zu positionieren, muss sie weiter an ihrer Frischzellenkur arbeiten, aber Gérard Goodrow, sein Team und der Messebeirat sind ambitioniert.«
Galerie Christian Nagel
Christian Nagel eröffnete 1990 seine Galerie in Köln, expandierte 2002 nach Berlin und absolviert Messen in aller Welt: Die New Yorker Armory Show, die Art Athina, und die Frieze in London, die Art Basel, das Art Forum Berlin und die Art Basel Miami Beach. Dabei präsentiert er Positionen, deren Kunstbegriff sich vor allem über den Inhalt definiert: Michael Krebber, Heimo Zobernig, Mark Dion oder auch Markus Selg stehen auf dem Programm. Der Art Cologne bleibt Nagel treu – aus Überzeugung. »Nach wie vor ist die Kölner eine der interessantesten Messen Europas«, so sein Urteil. Um ihre Zukunft scheint Nagel sich wenig zu sorgen. Zwar mangele es dem Kölner Kunstmarkt an internationalen Ausstellern, doch mit dem neuen Termin werde sich das in den nächsten Jahren erheblich verbessern. Es dürfte ein Leichtes sein, die zuletzt ferngebliebenen Topgalerien über die neue Qualität der Messe zurückzugewinnen, schätzt der optimistische Galerist. Derzeit liege die Art Cologne auf Platz drei bis vier in Europa. Aber Nagel ist sicher: »In den nächsten fünf Jahren hat sie die besten Chancen, wieder weiter nach vorne zu rücken.« //
Die Art Cologne findet vom 18. bis 22. April statt, die neue Messe »dc duesseldorf contemporary« ist vom 19. bis 22. April zu besuchen. www.artcologne.de und www.dc-fair.de