»Es sieht völlig anders aus, als ich es mir vorgestellt hatte«, gesteht Barbara Schock-Werner. »Und es ist wunderschön.« Dabei sei Gerhard Richters Fenster im Kölner Dom kein »Knüller«, keine »Sensation«, die alle Blicke auf sich ziehe. »Es steht da, als hätte es schon immer dagestanden. « Und die Dombaumeisterin hat Recht: Ganz selbstverständlich fügt sich die neue Verglasung des großen Maßwerkfensters ins Südquerhaus der gotischen Kathedrale und entwickelt dort unerwartete Wirkung.
Richters Entwürfe zeigten das Fenster immer als opake Fläche. Nun aber, durchströmt vom einfallenden Sonnenlicht, beginnen die Farben zu leuchten: Königsblau und sonnengelb, purpur, pink, orange und ocker – in rund 11.500 kleine bunte Quadrate hat der Künstler das über hundert Quadratmeter große Glas aufgesplittert und dazu sorgsam 72 Töne ausgewählt, die den Farbklang der Domverglasung aufnehmen. Eine vibrierende Farbwand, die dem Raum eine völlig neue Note gibt. Denn bisher schien das Fenster fast farblos. Nachdem die ursprüngliche Verglasung des 19. Jahrhunderts im Zweiten Weltkrieg zu Bruch gegangen war, hatte Wilhelm Teuwen diese Gestaltung gewählt. Lange schon wurde sie als unzureichend empfunden.
So ist Richter denn auch nicht der Erste, der sich am prominenten Domfenster versucht hat. Zwei figürlich arbeitende Kollegen vor ihm waren bereits gescheitert. Das Domkapitel hatte sich zunächst die Darstellung von Heiligen des 20. Jahrhunderts an diesem Ort gewünscht. Damit tat auch Richter sich schwer. »Ich fand natürlich keine Form«, gibt er zu. Die Idee zur abstrakten Alternative kam dem Malerstar, als er eine Schablone mit dem Maßwerkrahmen des Domfenster auf das Foto einer seiner frühen Arbeiten legte: »4096 Farben« von 1974. Es dauerte, bis das Domkapitel sich mit damit angefreundet hatte. Und die Finanzierung? Den Entwurf gab Richter für Gotteslohn. Für die Ausführungskosten – an die 400.000 Euro – fanden sich Spender. Kunst, Sakralität, Geld – ein kein ganz neues Spannungsfeld. Schon vor fast 900 Jahren mahnte der Abt Suger, der in Saint Denis bei Paris den Schöpfungsbau der Gotik initiierte, die Gläubigen, nicht zuvörderst an die Kosten denken: »Konzentriere dich auf die Kunstfertigkeit der Arbeit – diese Kunst ist lichtgetränkt und kann deinen Geist zum Ursprung des Lichtes, zum wahren Licht hinführen, dessen Pforte Christus selber ist.« »Und ein bisschen«, so schätzt Schock- Werner, »empfinden wir das heute wohl noch genauso «. //
Foto: Dombauarchiv Köln, Matthias Deml© Gerhard Richter