TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Kürzlich wurde gemeldet, dass die weltgrößte Samenbank »Cyros« kein Sperma mehr von rothaarigen Spendern entgegen nimmt. Grund: Die Nachfrage ist weltweit zu gering; Irland mal ausgenommen. Wenn man sich schon seinen Nachwuchs nach optischen Kriterien zusammenmixen kann, müsste das doch auch mit der Intelligenz gehen. In den 70er Jahren entstand tatsächlich in Los Angeles eine fragwürdige Samenbank für Genies; Spender sollten hochintelligente Menschen und Nobelpreisträger sein, mit dem Ziel, geniale Kinder in die Welt zu züchten.
Der fast volljährige Francis lebt in Benedict Wells’ Roman »Fast genial« mit seiner Mutter, die immer mal wieder reif für die Psychiatrie ist, in einem Trailerpark am Rand von Jersey City. Einzige Lichtblicke in der Tristesse: sein Nerd-Kumpel Crover und die rätselhafte, labile Mary-Jane, die er als Patientin in der Psychiatrie seiner Mutter kennen und lieben lernt. Seinen leiblichen Vater kennt Francis nicht, aber als er erfährt, dass er ein Retortenkind aus eben jener Samenbank der Genies ist, macht er sich, gemeinsam mit Crover und Mary-Jane, auf die Suche nach seinem vermeintlich genialen Erzeuger. Immer nach Westen, Richtung Los Angeles. Natürlich bedient Wells die gängigen Motive der Road-Novel; der Weg ist das Ziel des leicht verschrobenen Trios. Für Romantik bleibt aber wenig Zeit, denn jeder der drei Heranwachsenden hat seine Probleme und alle spüren, dass sich am Ende der Reise in ihren Leben einiges ändern wird.
Wells, Jahrgang 1984, lebt in München und Barcelona und hat bereits mit 19 Jahren sein vielbeachtetes Debüt »Becks letzter Sommer« geschrieben – es folgten »Spinner« und nun »Fast genial«. Dass Väter ein Problem sein können, davon kann Luke Skywalker ein Lied singen; auch diese Geschichte ist nicht neu. Wells erzählt sie aber spannend und gleichzeitig unaufgeregt, legt einen Soundtrack zwischen Tschaikowsky und Arcade Fire über die Seiten und einen furiosen, dramaturgischen Schlussspurt hin, der sich gewaschen hat. Fast genial eben. Aber auch nur fast, wir wollen es schließlich nicht übertreiben.
Benedict Wells, »Fast genial«, Diogenes Verlag, Zürich 2011, 336 S., 19,90 Euro
Lesungen am 14. Okt. 2011 in der Studiobühne Münster, am 15. Okt. 2011 in der Ritterschen Buchhandlung Soest, am 18. Okt. 2011 in der Buchhandlung Ingo Klaus Solingen, am 19. Okt. 2011 in der Buchhandlung Köthers & Röttsches Herne, am 20. Okt. 2011 in der Buchhandlung Markus Gütersloh sowie am 4. Nov. 2011 im Rahmen von »WDR 1Live Klubbing« in Köln.