TEXT: SARAH HEPPEKAUSEN
Jede Umarmung, jeder Kuss ein Kampf. Jeder Blick eine Sehnsucht. Mal beobachtet Kasimir verbittert eifersüchtig seine Karoline, die mit fremden Männern tanzt und trotzig spottend zurückschaut. Mal versucht es Karoline mit der Nähe zu Kasimir, und der wendet sich spuckend ab.
Für Regisseurin Lisa Nielebock ist Ödön von Horváths Volksstück aus dem Wirtschaftskrisenjahr 1931 vor allem das zeitlose (Schau-)Spiel einer zerbrochenen Liebe, das Spielfeld von Bühnenbildner Sascha Gross im Bochumer Schauspielhaus eine schiefe Ebene. Die besiegelt den sozialen Abstieg des einen (Kasimir ist entlassen worden) und den erhofften Aufstieg der anderen (Karoline versucht es mit besser gestellten Herren).
Das Paar verliert sich mitten im Vergnügen. Auf diesem Oktoberfest kommt das Glück in Form von Eis am Stiel, Bier und Plüschtieren gewinnklimpernd aus dem Automaten, frohsinnstrunken wird gesungen zum Ein-Mann-Orchester (Lars Kuklinski am Klavier und an der Trompete), und zur Achterbahn gereicht eine Windmaschine, vor der sich Karoline (Therese Dörr) und Schürzinger kreischend wiegen.
Dieser faule Bühnen- und Budenzauber scheint auf Florian Langes Kasimir wie ein grelles Gegenlicht. Emotionsbeladen bemüht er sich verzweifelt um Bodenhaftung in seiner Lebens- und Liebeskrise, während die anderen (und bis in die Nebenrollen präzise gearbeiteten Figuren) in den Himmel schauen, dem verheißungsvollen Zeppelin nach.
So kontrastreich lotet Nielebock die individuellen Tieflagen aus in Horváths Sprache des kollektiven Kleinbürgertums, zwischen Phrasen und abgelauschten Generalisierungen. Das funktioniert manchmal allerdings mehr mit dem groben Holzhammer als mit leiser Unaufdringlichkeit. Aber auf dem Rummelplatz geht’s nun mal nicht zimperlich zu. | HEP