TEXT: REGINE MÜLLER
»Je ungewöhnlicher und bizarrer, desto besser«, lautete Verdis ermunternde Aufforderung an seinen Librettisten Salvatore Cammarano. Der hat sich daran gehalten. Die Handlung des »Trovatore« ist so verwickelt, dass man das Bonmot eines Sängers nachvollziehen kann, der meinte, er habe seine Partie in der Oper nun schon so oft gesungen, aber verstehe immer noch nicht, wessen Sohn in der krausen Geschichte er eigentlich sei.
Sie verhandelt den Konflikt unter Brüdern, die nicht wissen, dass sie Brüder sind, sondern sich privat und politisch als erbitterte Feinde gegenüber stehen. Der alte Graf Luna hatte zwei Söhne. An der Wiege des jüngeren Garcia entdeckt man eine Zigeunerin und jagt sie fort. Das Kind erkrankt, der Vater vermutet den bösen Blick und lässt das Weib verbrennen. Deren Tochter Azucena rächt sich und raubt den Knaben, um ihn seinerseits zu töten. Es kommt zur tragischen Verwechselung, Azucena verbrennt ihr eigen Fleisch und Blut und zieht das entführte Kind als Manrico auf. Der konkurriert unerkannt nun mit dem jungen Luna um Macht und Gunst von Leonora.
In Bonn inszeniert Dietrich Hilsdorf nicht zum ersten Mal Verdis Oper, die aufgrund ihrer musikalischen Strahlkraft bis heute eine seiner beliebtesten ist. 1991 hatte er den »Troubadour« in Essen inszeniert und legte 2001 eine überarbeitete Fassung nach. Der damals handfeste Skandal wiederholt sich nicht. Im Gegenteil. Hilsdorf zeigt acht Bilder, deutlich voneinander abgegrenzt, sozusagen acht Mini-Opern, für die Dieter Richter eng dimensionierte, realistisch ausgestattete rotierende Räume gebaut hat. Verblüffend schon das zweite Bild: ein biedermeierlich möbliertes Schlafgemach mit einer Treppe, erinnernd an eine Boulevard-Komödie oder eine Rossini-Buffo-Oper. Die Verwechslungsszene der männlichen Kontrahenten fällt entsprechend komödiantisch aus. Gleichwohl hält das Drama prägnant Spannung und die beklemmende Atmosphäre von Gewalt und Ausgrenzung. Was sich musikalisch in Robin Engelens Dirigat differenziert spiegelt. Vermieden wird das häufig zu hörende Verdi-Lärmen, Klangwucht entlädt sich gezielt an exponierten Stellen. Das Bonner Ensemble beweist einmal mehr hohes Niveau und Kompetenz: Irina Oknina ist eine anrührend lyrische Leonora, George Oniani furchtlos in die Titelpartie und meisterhaft glanzvoll, Mark Morouse imposant als Graf Luna und triumphal Chariklia Mavropoulou in der dramatisch gebieterischen Mezzo-Paraderolle der Azucena.