Er war ein hochbegabter Grafiker und vielbeschäftigter Designer, ein geachteter Maler und Plastiker, ein charismatischer Lehrer. Selbst wenn er die afri-cola-Flasche 1962 nicht entworfen hätte – Jupp Ernst wäre unvergessen als Wächter des guten Geschmacks. Die afri-cola-Flasche, die mit ihren charakteristischen Einkerbungen, mit Schrift und Palme Kultstatus erlangte, machte ihren Erfinder allerdings erst richtig und auch außerhalb Deutschlands berühmt. Zum 100. Geburtstag des Designers, Künstlers, Pädagogen hat die Bergische Universität Wuppertal nun eine Ausstellung ausgerichtet: Plakate, Stühle, Geschirr und Buchentwürfe aus dem Nachlass.
Jupp Ernst wurde am 20. Dezember 1905 in Paderborn geboren, er studierte Grafik in Bielefeld, eröffnete ein eigenes Werbe-Atelier in Berlin, bevor er 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs Soldat wurde. Danach war er Mitbegründer der Künstlervereinigung »junger westen«, er organisierte erste Ausstellungen für Gebrauchsgrafik und setzte sich vor allem dafür ein, »die falsche Ausrichtung der Kunstgewerbeschulen auf ein romantisierendes Handwerk in der nationalsozialistischen Ära« zu überwinden. Die Zerstörung der Städte, die »Notwendigkeit, Wohnungen und Hausrat neu zu erzeugen«, erfordere, so Ernst, dass »wir, die wir noch die Ausbildung und Freundschaft der Pioniere der Architektur, Malerei und Grafik eines Peter Behrens, Bruno Paul und Georg Muche erfahren haben – uns verpflichtet fühlen, die fähige Jugend in diese Aufgaben einzuführen.«
So war es für den Erneuerer ein Glücksfall, dass er 1948 an die Meisterschule für gestaltendes Handwerk in Wuppertal als Direktor berufen wurde. Er nannte die Schule in »Werkkunstschule« um und reformierte sie gründlich; neue Lehrer, neue Fächer wie »Industrial Design« und ein »Institut für Industrieform« machten die Schule auch international bekannt. (Heute ist daraus der Fachbereich Design der Bergischen Universität geworden.) In einem Manifest von Jupp Ernst heißt es: »Oberster Grundsatz ist, die Schüler fähig zu machen, Aufgaben aus den Notwendigkeiten und Methoden unserer Zeit zu lösen. Das bedeutet keine Missachtung der Tradition. Was an traditionellen Werten noch lebendig ist, wird wirksam werden, das Abgestorbene lässt sich nicht wiederentdecken.« Tradition: Das war die Idee der guten Form, wie sie schon im Bauhaus gelehrt wurde, sachlich, funktionsgerecht, gebrauchsorientiert und – schön. Alles, was den Menschen umgibt und was er an Gegenständen benutzt, sollte sich daran orientieren. In der programmatischen Broschüre »Kampf dem Kitsch« schrieb Ernst: »Die Erzeugung von Waren sollte eine Erzeugung von Werten sein.« Nicht nur als Lehrer hat er dieses Ideal vermittelt. Auch seine eigenen Objekte zeugen von gutem, wertorientiertem Geschmack: die Tassen, Teller, Kannen, Dosen für Melitta und Rosenthal; die Tapeten für Rasch; die Entwürfe für Resopal, die Deutschen Werkstätten, Hellerau, Goldpfeil oder Bentz-Papier. Arbeiten, in denen er oftmals malerisch-grafische, figürliche Formen mit Fotografie kombinierte. Nach zwei Amerika- Reisen war es sein großes Verdienst, deutsche Unternehmen davon zu überzeugen, dass, wie in den USA, modernes Design zum Wirtschaftsaufschwung führen kann. Viele dieser Firmen haben damals Design-Professuren an Werkkunstschulen und Hochschulen finanziert.
Von 1954 bis 1969 leitete Jupp Ernst die Werkkunstschule Kassel. Zusammen mit Willem Sandberg, dem damaligen Direktor des renommierten Stedelijk-Museums in Amsterdam, und Wilhelm Wagenfeld, seinem berühmten Design-Kollegen, gründete er die Zeitschrift form. Er war Mitinitiator des Rates für Formgebung, lange Jahre Vorstandsmitglied des Deutschen Werkbundes und organisierte erstmalig eine Ausstellung »Grafikdesign und Industrial Design« als Sonderabteilung der documenta III in Kassel. Jupp Ernst, der im Alter noch einmal erfolgreich gemalt hat, starb 1987.
»Wir sind der Meinung, dass Kunst auch in unserer Zeit kein Luxus, sondern Sinndeuterin der Zeit, Gestaltung unserer Hoffnung, Ausdruck unseres Menschtums ist«. Das schrieb Jupp Ernst 1946 – es ist gültig noch heute. //
Bis zum 14. April 2006: Kolkmannhaus, Hofaue 51-55, Wuppertal. Tel.: 0202/439-4703. Geöffnet: Mo-Di-Mi nach Vereinbarung.