»Düsseldorf. Islamistische Gewalttäter werden immer jünger. Nordrhein-Westfalen will nun handeln. Künftig wollen die Sicherheitsbehörden die Personendaten gefährlicher Minderjähriger schon ab 14 Jahren speichern. In NRW hat sich die Zahl jugendlicher Salafisten nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes in zwei Jahren verdoppelt. Fünf Prozent aller Salafisten seien minderjährig.«
So liest man dieser Tage in der Zeitung. Dass der Nachwuchs von heute schlechte Manieren und keinen Respekt vor Autoritäten hat, darüber klagte schon Sokrates. Seitdem ist Jugend für Jugend alles immer schlimmer geworden; bis zur Stunde. In Hannover sticht ein 15-jähriges Mädchen einen Bundespolizisten nieder, in Essen sprengen zwei 16-jährige Knaben einen Sikh-Tempel in die Luft. So gefährlich ist die Lage, dass Innenminister Jäger (SPD) zu der oben erwähnten Maßnahme griff; die Medien berichteten darüber.
Doch wie das so ist: Nachrichten fallen vom News-Himmel wie Marmeladebrote vom Tisch: immer mit der spannenden Seite nach unten. Dreht man sie um, zeigt sich der Belag anders, als er einmal aufgetragen wurde. Rekonstruiert man den Primäraufstrich, offenbart sich die komplette Geschichte. Und die ist in diesem Fall weit desaströser. Denn zwar übt zweifellos der Salafismus derzeit die größte Anziehungskraft auf Kids und Teenies aus, ähnlich stark wie früher Barbie-Puppe, Gameboy oder der erwartungsvolle Griff nach Mamas Lippenstift und Papas HB. Doch ist der jugendliche Wunsch, zu stechen, zu bomben und schlimme Attentate zu begehen, insgesamt gewachsen, wie aus Polizeikreisen verlautet.
Ein Besuch bei der Sonderkommission »Knallerschnuller« des nordrhein-westfälischen Landeskriminalamtes offenbart das Ausmaß. Hauptkommissarin Silke Szymanski, Leiterin der SoKo, verrät dieser Zeitschrift, dass 31 Prozent der Elfjährigen und 43 Prozent der 13-Jährigen »Alles Kaputtmachen« als ihre liebste Beschäftigung angäben, gleich nach dem Mathe-Unterricht und noch vor der exzessiven Smartphone-Nutzung. »Jedenfalls nehmen wir das an«, fügt die erfahrene Polizistin hinzu, die früher als erster weiblicher Verkehrskasperle Dienst tat. Drastische Beispiele für ihre Lageeinschätzung hat HK Szymanski genug. So seien neulich zwei 13-jährige Jungs per Zug von München aus losgereist, um in Dortmund ein neues Leben zu beginnen: »In Dortmund!« Fahrkarten hätten sie keine besessen, dafür aber eine große Zahl tödlicher Massenvernichtungswaffen im Gepäck (Gartenschere, Eisensäge): »Damit hätten sie bei den Rockerbanden im Ruhrgebiet sofort Karriere gemacht.«
Unter der Bedingung, ihren Namen nicht zu nennen, gibt Ermittlerin Szymanski weitere Details der dramatischen Entwicklung preis. Wie bei einer Masernepidemie in der Kita erfasse die Gewaltbereitschaft immer jüngere Kreise. »In Bergisch Gladbach hat jüngst ein Zweijähriger ein Dutzend leere Bierflaschen vom Balkon eines Hochhauses fallen lassen. Eine Flasche nach der anderen hat das kriminelle Kleinkind durch die Gitterstäbe der Brüstung im 6. Stock geschoben und losgelassen.« Und die erschütterte Polizistin fügt hinzu: »Jeder Wurf war tödlich.«
Vor diesem Hintergrund plant der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz jetzt die lückenlose Überwachung sämtlicher Minderjähriger vom Neugeborenen bis zum Jugendlichen unter 16. Den Vorwurf der Unverhältnismäßigkeit weist der Präsident des Amtes, Burkhard Unfreier, zurück: Es lasse sich doch nicht leugnen, dass immer häufiger Säuglinge unmotiviert Erwachsenen ins Gesicht fassten, ja, ins Auge! »Haben Sie eine Ahnung davon, welche Fantasien in den hormonüberdosierten Hirnen Pubertierender wuchern?«, fragt Unfreier. Manche träumten gar davon, die bestehende Ordnung mittels übernatürlicher Kräfte zu bekämpfen. »Bevor irgendein Zwölfjähriger losfliegt, um wie Batman seine Schule zu zerstören, müssen wir das wissen.«
Jugend- und Familienministerin Kampmann (SPD) hingegen gibt sich gelassen: »Jedem Kind sein Instrument! Als Siebenjährige habe auch ich meiner Puppe einen Arm abgemacht. Danach nie wieder.« Wenn mal durch einen Sprengstoffgürtelanschlag etwas kaputt gehe, könne man das wieder reparieren. »Hauptsache, wir verlieren unseren Glauben an die Jugend nicht.«