TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Essen hat seit kurzem nicht mehr alle Wappen auf dem Dach. Über 50 Jahre leuchtete dem Besucher, der aus Richtung Hauptbahnhof kam, der Spruch »Essen. Die Einkaufsstadt« vom Handelshof entgegen, flankiert von zwei Stadtwappen. Eine Leuchtreklame, die längst zum inoffiziellen Logo der Stadt geworden war. Bis kürzlich ein Wappen vom Dach stürzte, zum Glück aber niemanden traf, außer vielleicht das Selbstbewusstsein der Essener Bürger. Wenn man die Otto-Normal-Bevölkerung fragen würde, wie denn das Logo ihrer Stadt aussieht, wären die Antworten wohl überschaubar. Eben jener Schriftzug würde genannt, oder der Förderturm von Zollverein, was daran liegen mag, dass das Essener Stadtlogo ziemlich unauffällig durch die Medien geistert. Ein dunkelblaues Quadrat, darauf steht mittig, in weißen Versalbuchstaben: »ESSEN«. Gesetzt in der etwas blutarmen Schrift »Rotis«, die mal um die Jahrtausendwende bei Architekten und Designern sehr beliebt war. Dieses blaue Quadrat ist noch nicht mal richtig hässlich, eher banal und eigenschaftslos; ohne Bezug zur Stadt.
Nicht, dass irgendwelche drangebastelten Wellen oder Kirchturmspitzen, wie in anderen Städten, besser wären – aber was hat der Plakatgestalter und Professor für visuelle Kommunikation Uwe Loesch seinen Studenten immer eingetrichtert? »Schlichtheit kann auch dürftig sein.« Schließlich sollen solch ein Logo und das gesamte Erscheinungsbild (Corporate Identity) drumherum – Formulare, Broschüren, Internetseiten – das Image der Stadt transportieren und es in der Öffentlichkeit bekannter machen. Das traurige Blau der Essener ist wahrscheinlich dem Stadtwappen entlehnt, aber so dunkel, dass es, je nach Drucktechnik, ins Schwarze tendiert. Dabei wäre die Kulturhauptstadt doch der Anlass gewesen, frischen Wind durchs Design wehen zu lassen. Und wirklich – es weht etwas: ein dunkelblaues, schalartiges Band mit dem Slogan »Kultur verbindet«, daran direkt anschließend wieder der Logo-Würfel, blau auf blau mit weißer Rahmung. Dieses Band findet sich in Broschüren und Plakaten wieder, meist gespannt zwischen glücklichen Menschen. Netter, aber auch sehr nahe liegender Gedanke, dass die Kulturhauptstadt die Menschen verbindet. Man könnte das Teil auch zweckentfremden – als Schal für das Ruhr.2010-Frostvolksfest im letzten Januar auf Zollverein. Oder sich damit die Augen verbinden, auf dass einem Folgendes erspart bliebe: das merkwürdig verwaschen-pastellfarbene Plakat für einen verkaufsoffenen Sonntag (!), mit dem Essen am Beginn des Kulturhauptstadtjahres in den Nachbargemeinden für sich warb.
Woanders ist es aber auch nicht besser. Mangelnde Ästhetik ist nicht das Problem allein Essens, und die Gestaltung von guten Erscheinungsbildern für Städte ist für die Kreativen oft kein Zuckerschlecken.
Wo Mut und Innovation gefragt wären, versanden die Ideen oft in Gremien und Ausschüssen. Häufig einigt man sich auf ein Motiv mit topografischen oder architektonischen Besonderheiten, die die Stadt repräsentieren. Liegt diese an einem Fluss, ist die Sache einfach. Düsseldorf hat in seinem Logo ebenso den Rhein verewigt wie Duisburg. Bei den Düsseldorfern windet er sich durch das Signet, und dort, wo sonst die Innenstadt liegt, wurde der vereinfachte Löwe aus dem Stadtwappen platziert. Die Duisburger halten es abstrakter. Bei ihnen liegt die Wortmarke »Duisburg« an zwei Flüssen – dem Rhein (eine durchgezogene Linie) und der Ruhr (gepunktete Linie). Und auch Wuppertal hat Wasser im Logo. Als Wellenlinie, die zugleich ein »W« bildet und zusätzlich noch als Gerüst für die Schwebebahn dient. Eigentlich zu viel des Guten, aber da das Logo schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hat, gehört es zum liebenswert-schrulligen Wuppertaler Stadtinventar.
Köln, das seine Lage am Rhein sonst gerne feiert, hat in seinem Logo auf den Fluss verzichtet. Ergebnis ist ein gelungener Mix aus Tradition und Moderne. Das alte Stadtwappen wurde optisch entschlackt und steht neben einem roten Balken, in dem in weißer Schrift »Stadt Köln« steht und am Rand zwei weiße, spitze Dreiecke zu finden sind, die Türme des Doms –des Kölners liebster Blick. Dieses Signet ist zeitlos, von hohem Wiedererkennungswert und so unpappnasenhaft, wie man es den Kölnern gar nicht zugetraut hätte. Ein weiteres positives Beispiel bietet Hattingen. Die Stadt am südlichen Rand des Ruhrgebiets hat dem Buchstaben »H« einfach einige Querbalken hinzugefügt – und verweist streng-formal auf die Fachwerkarchitektur der Innenstadt. Zusammen mit einem, vor kurzen aufgefrischten, Corporate-Design-System aus moderner Typografie, frischen Farbflächen und großflächigen Fotos, hat sich Hattingen für die Stadtmarketing-Zukunft bereit gemacht, und das alles ohne Designmätzchen aus den Tiefen der Grafikprogramme. Eine völlige Abkehr von illustrativen Bildmarken hat Bonn vollzogen, man gibt sich international. Das neue Signet der Stadt besteht nur aus zeitgenössischer Versal-Typografie: »FREUDE. JOY. JOIE. BONN.« In drei Sprachen, mit dem Zitat aus Beethovens »Ode an die Freude« grüßt die UNO-Stadt seine Bürger und Gäste; leicht, beiläufig, sympathisch.
Kann sein, dass das Thema Stadt-Logos was für Experten ist – für die Stadtmarketingabteilungen und die Designer, die auf Aufträge hoffen und der jeweiligen Stadt das perfekte visuelle Erscheinungsbild auf den Leib schneidern. Die Einwohner bekommen das meist nur am Rande mit, auf Formularen und Hinweisschildern in öffentlichen Ämtern. Oder wenn die Lokalzeitungen die Honorare der Designer skandalisieren, und man sich ereifern kann, dass für so einen Mumpitz Geld ausgegeben wird, und dass der Enkel das doch auch könnte. Nicht alle Logos haben die visuelle Prägnanz, die eine Stadt verdienen würde. Aber daran lässt sich arbeiten, schließlich sollen die Designstudios auch in Zukunft volle Auftragsbücher haben.
In Essen wollen sie so schnell wie möglich neue Wappen auf den Handelshof montieren; das blaue Logo-Quadrat bleibt aber erstmal. Mit etwas Geschick lässt es sich vielleicht ignorieren. Auf den Bahnsteigen des Hauptbahnhofs findet man in diesen Wochen übrigens ein schönes Beispiel dafür, wie man sich als Stadt mit Klischeebewusstsein sehr sympathisch selbst auf den Arm nehmen kann. Dort hängen Großflächenplakate der Stadt Oldenburg, die einen bärtigen Senior vor einem dampfenden Teller Grünkohl mit Pinkel zeigen, verbunden mit der Aufforderung, doch mal vorbeizukommen. In die »Kohltourhauptstadt Oldenburg«.