Zumindest das hätte überraschen können: Die wunschlos unglückliche Generation Golf grillt wieder. Von der Regieanweisung abweichend, serviert Annette Pullen in ihrer Uraufführung von Reto Fingers »Einer wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten« aber standesgemäß Sushi. Wenn auch nur am Buffet. Ein armes Würstchen gibt es trotzdem: den immer verschwitzten Ingo (Raiko Küster), der in seiner kurzen Hose aussieht, als wolle er im Anschluss an diese kleine Party noch kurz bei den Pfadfindern vorbeischauen. Seinen Freunden Jule (Judith van der Werff) und Paul (Alexander Rossi) hat der Rechtsanwalt erfolgreich dabei geholfen, sich freundschaftlich zu separieren. Zumindest bis zu diesem Abend. Die zeitgemäße Scheidung sieht so aus: Paul wohnt in der »Attikawohnung« und Jule ein paar Schritte über den Flur. Getrennt leben unter einem Dach, um des von Paul »Brut« genannten gemeinsamen Kindes willens. Drei Monate friedlicher Kohabitation sollen nun Anlass zum Feiern sein, mit Bier, Planschbecken und eben leicht verdaubarer japanischer Kost, die gemeinhin für das klischierte Yuppie-Lebensgefühl der emotional desorientierten Mittdreißiger steht. Natürlich ist an diesem Abend auf der schrebergarten-idyllischen Dachterrasse, die Cordula Körber deutlich unter dem finanziellen Niveau ihrer Mieter in die Casa hat bauen lassen, keiner glücklich. Doch der Ausbruch aus der emotionalen Schonzone bleibt nur Behauptung. Denn dafür müssten überhaupt erst mal die Dialoge in Gang kommen. Man konversiert bemüht vor sich hin, ist mäßig komisch, träumt ein wenig und weint ein bisschen. Zwei Fremde tauchen auf, der einsame, deutlich ältere Herr Schlegel (Michael Weber), einer jener Nachbarn, die über alles und jeden im Viertel informiert sind; und aus dem Kamin steigt plötzlich ein »Wolf« genannter stummer Unbekannter (Lukas Graser), der als Katalysator der absehbaren Eskalation fungiert. Später wird sich »Wolf« ausziehen und Jule an die Wäsche gehen. Auch Paul darf die Hose ablegen, was angesichts der psychologischen Unterspanntheit der Inszenierung immerhin mal eine Form der Selbstentblößung ist. ANK
Ausgezogen
01. Juni. 2007