Vorbei, der Mozart-Rausch. Nicht einmal der Aufführungsstatistik konnte das Jubeljahr etwas anhaben. Spitzenreiter seiner Opern bleibt »Don Giovanni«. Just mit dem ewigen Verführer bereitete das Aalto-Theater dem Festkalender ein furioses Finale, exakt an Mozarts 251. Geburtstag. Clever, hatten sich die Essener doch das Jahr über aufreizend zurückgehalten bei der allgemeinen Mozart-Hommage. Dabei begann der Premierenabend mit einer Krankmeldung: Diogenes Randes konnte aufgrund eines Unfalls die Titelrolle nicht spielen und saß am Bühnenrand, um die Partie zu singen, während Regisseur Stefan Herheim den Part übernahm. Das erwies sich als ideal und als unverhoffter Blick in die Talentvorräte Herheims, der Giovanni magische Präsenz und dämonisches Leben gab, athletisch über die Bühne irrlichterte: nicht nur notorischer Weiberheld, vielmehr rabiater Aufklärer mit nervösem, unwiderstehlichem Sex-Appeal. Bei allen Heiligen, was für ein Mann!
ie Anrufung hat hier ihre Richtigkeit. Einziger Handlungsort ist (ausgestattet von Thomas Schuster) eine barocke Kirche, die sich dank Drehbühne und mobiler Säulen ständig wandelt. Das sakrale Zubehör wird dabei »blasphemisch« zweckentfremdet: der Altar zur Festtafel, der Beichtstuhl zum Liebesnest, der Messkelch zum Champagnerpokal, die Mitra zur Narrenkappe, die Bibel zum Weiberregister und das Taufbecken zum Sterbeplatz des Komturs. Giovanni selbst springt zu Beginn aus einem Gemälde, Johannes den Täufer darstellend, dessen Schriftzug vom »San« zum »Don« changiert. Der heilige Wüstling. So sprudelt unablässig der Ideenquell und quillt über vor Assoziationen, Bezügen und Verweisen, darunter die komisch-rührende Neufindung des Bauernpaares Zerlina und Masetto (Helen Donath, Marcel Rosca). Wenn die Aufführung – durch Stefan Soltesz animiert zu differenziertem und emphatischem Orchesterspiel und mit überdurchschnittlichem Ensemble (wobei Diogenes Randes’ fülliger Bariton ein wenig mehr Biss bräuchte) – ein Problem hat, dann in seinem Zuviel an Thesen und Bildbehauptungen. REM