Zum Abschluss seiner Deutschland-Tournee macht es der 83-Jährige seinen Fans in der ausverkauften Mitsubishi Electric Halle nicht leicht.
»Jetzt ist es vielleicht wirklich das letzte Mal.« Diesen Gedanken hat man schon so oft gehabt auf dem Weg zu Bob Dylans Konzerten in den vergangenen Jahren. Aber an diesem Sonntagabend ist es eben tatsächlich ein 83-Jähriger, der auf der Bühne der Mitsubishi Electric Halle seine aktuelle Deutschland-Tour beendet. Und dann darf man noch nicht mal ein Foto machen – im Saal herrscht striktes Handy-Verbot. Man beobachtet also genauer, aufmerksamer. Aber was sich da einprägt, ist nicht unbedingt nur schön.
Jeder Mensch, der in den vergangenen Jahrzehnten auf einem Bob-Dylan-Konzert war, weiß, dass der Künstler kein Crowd-Pleaser in dem Sinne ist, dass er viele Hits spielt – oder überhaupt Songs so spielt, dass selbst Fans sie unbedingt wiedererkennen würden. Der Mann, der früher mal Folksänger war, hat sich einen Status erarbeitet, in dem er auf der Bühne tun und lassen kann, was er möchte. Seine Songs sieht er offenbar als Material, das man jeden Abend wieder neu aufnehmen, hin und her wenden, dessen Gestalt man jederzeit komplett verändern kann.
Seit ungefähr Ende der 1980er Jahre sieht er sich auf einer Never Ending Tour und wird von Bands um den großartigen Bassisten Tony Garnier begleitet, die ein so sicheres und in aller Improvisationsgabe festes Fundament bilden, dass er mit Stimme und Instrumenten irrlichtern kann so viel und weit er will, aber immer aufgefangen und getragen wird.
Bob Dylan klimpert auf dem Flügel herum
So geht das schon los beim ersten Stück »All Along The Watchtower«, einem Song von 1967, den Jimi Hendrix zu einem riesigen Hit machte. Die suchenden Blicke der komplett sitzenden Zuschauer*innen versuchen den Menschen auszumachen, wegen dem sie gekommen sind. Doch Bob Dylan sitzt verschanzt hinter einem Flügel, der ungewöhnlicherweise frontal zum Publikum ausgerichtet ist. Man blickt also auf seine schwarze Rückseite und sieht nur Dylans wahrscheinlich gefärbten Lockenkopf wackeln, während er hinter dem Klavier im Sitzen E-Gitarre spielt. Verirrte Töne sind das, wohl kaum als Gitarren-Solo zu beschreiben, die dem Harmonieschema oft untreu werden. Dylan krächzt den Text, legt irgendwann die Gitarre ab und klimpert (ja, man muss das so sagen) auf dem Flügel herum.
Die Band trägt all das – und weil es eben Bob Dylan ist, der unzählige großartige Alben geschrieben und aufgenommen hat, feiern die Menschen ihn. Und ja, auch der Abend in Düsseldorf hat Momente. Ganze neun Songs, also fast alle des aktuellen Albums »Rough And Rowdy Ways«, spielt er und immer wieder scheint auf, wie inspiriert auch dieses Alterswerk wieder gewesen ist. »I Contain Multitudes« ist traumverloren schön und »False Prophet« auf spannende Weise hart und angriffslustig. Leider gerät ausgerechnet das Meisterwerk des Albums, »Key West (Philosopher Pirat)«, etwas lustlos und das Akkordeon, das ihm auf der Studioversion den Lebensatem einhaucht, fehlt sehr.
Wenn Dylan in die 1960er Jahre zurückkehrt und »It Ain’t Me, Babe« oder »It’s All Over Now, Baby Blue« anstimmt, geht ein Ruck durch die Menge. Zwei junge Frauen versuchen im Mittelgang zu tanzen, werden aber leider immer wieder von einer Ordnerin auf ihre Plätze verwiesen. Das ist wie ein Symbolbild für das ganze Konzert: Immer wieder scheint Inspiration auf, macht sich Begeisterung breit, wird dann aber wieder gebremst durch die Schnurren des alten Manns, der manchmal an seinem Flügel hängt wie ein leicht angetrunkener Bargast – und leider seine Texte genau in dieser Art vernuschelt und verschluckt. Immerhin wirkt er dabei so agil, dass man am Ende denkt: »Ach, der kommt bestimmt nochmal wieder.«