TEXT: ANDREAS WILINK
Auf einer Parkbank am Strand der Irischen See sitzt ein älterer Mann; hinter ihm steht ein Auto, beschmiert mit bösen Sprüchen wie »Abschaum« und »Pocken«. Plötzlich greift wie aus dem Nichts die Kralle eines Krans den Wagen und quetscht ihn zu Schrott.
Die Szene ist Anfang und Ende von »Parked«, dessen junger Regisseur Darragh Byrne an die besten Traditionen eines Kinos anknüpft, das sich mit Namen wie Neil Jordan verbindet. Montiert in extremen Bildausschnitten und erzählt mit großer Zartheit hinter dem Rauen, sensibel und expressiv, lässt sich der auf internationalen Festivals mehrfach ausgezeichnete »Parked« so leicht keinem Genre zuordnen: Sozialrealismus wird jedenfalls aufgebrochen, lässt Komödienstoff zu, nimmt die Wendung zu einem Vater-Sohn-Drama, um in symbolischer Übersteigerung einen viel zu frühen Tod zu inszenieren. Flammen eines Lagerfeuers lecken an einem verwundeten Körper, während über der Stadt ein Feuerwerk zündet. Hier soll ein Brandmal lodern und ein Fanal leuchten!
Der Mann, Fred (Colm Meany), campiert in seinem Auto auf einem Rastplatz am Rand von Dublin. Die Fürsorge fühlt sich nicht zuständig: ohne festen Wohnsitz keine Sozialhilfe, ohne Geld wiederum keine Wohnung – der ewige Kreislauf. Kommentierend schiebt sich einmal der Bug eines Schiffs ins Bild, das »Adventurer« heißt; und in einer Behörde sitzt Fred vor einem Plakat, das »see your future« verheißt. Fred hält sich penibel sauber, wäscht sich auf öffentlichen Toiletten. Man sieht ihm seinen geminderten Status – sein »running on empty« / Leben auf Sparflamme – nicht an. Täglich wird ihm Essen auf Rädern gebracht. Plötzlich steht ein zweites Auto da. Cathal, ein Junkie (Colin Morgan), hat dasselbe Problem wie Fred. Die beiden freunden sich an. Fred will Cathal von den Drogen abbringen, zumal dessen Dealer ihn hart bedrängt, endlich die Schulden zu zahlen. Cathal wiederum, verletzlich wie einst Jimmy Dean, befördert in Fred, den vom Weg Abgekommenen, neuen Lebensmut, lässt es ihn leichter nehmen, motiviert ihn auch, sich Jules zu nähern, die Fred in der Kirche und im Schwimmbad getroffen hat, die Musik unterrichtet und Zuneigung für den etwas scheuen Fred empfindet, der in seiner Scham zuhause ist. Aber sie weiß lange nichts von seiner Randexistenz, bis Fred sie öffentlich macht.
Am Sarg von Cathal wird Fred aus seinem Tagebuch vorlesen: »Und so gingen wir weiter, um wieder einmal die Sterne zu betrachten«. Auf diesen Schritt folgt dann noch ein mutiger, befreiender Sprung.
»Parked«; Regie: Darragh Byrne; Darsteller: Colm Meaney, Colin Morgan, Milka Ahlroth, Stuart Graham, David Wilmot; Irland / Finnland 2011, 95 Min.; Start: 29. November 2012.