TEXT: REGINE MÜLLER
Seinen »Rienzi« ließ Richard Wagner später nicht mehr gelten. Wie die zwei weiteren Frühwerke »Das Liebesverbot« und »Die Feen« schloss er seine 1842 in Dresden uraufgeführte Monumentaloper von Aufführungen in Bayreuth kategorisch aus. Anders als bei dem nur ein Jahr später uraufgeführten »Holländer«, an dem er bis ans Lebensende pusselte, war für ihn »Rienzi« nicht zu retten, obwohl seinerzeit höchst erfolgreich. Dass die Oper nur selten auf den Spielplänen steht, hat indes noch einen weiteren Grund: Das sechsstündige monströse Opus war Hitlers erklärte Lieblingsoper. Am Theater Krefeld/Mönchengladbach streicht man sie mutig zusammen. Nur knapp drei Stunden dauert das Konzentrat, für das GMD Mikhel Kütson insbesondere in den letzten drei der fünf Akte kräftig kürzt, was sich auf die nun arg sprunghafte Dramaturgie auswirkt. Tatsächlich ist »Rienzi« formal und musikalisch noch nicht auf der Höhe von Wagners Kunst; der Meister hatte gute Gründe, das Werk zu verwerfen. Aber reizvoll ist es allemal, zumal man einige von Wagners Eigenheiten im noch unbehauenen Rohzustand erlebt.
Regisseur Matthias Oldag führt den römischen Staatsmann Rienzi vom 14. Jahrhundert in die Gegenwart. Man sieht Attac-Aktivisten, Politiker-Schablonen und Lobbyisten. Allgegenwärtige Videozuspielungen verdoppeln in Großaufnahme das Bühnengeschehen oder montieren Kriegs-Aufmärsche von Vietnam bis zum Irak. Eine Rede des »letzten Tribunen« Rienzi unterlegen Bilder aus dem US-Wahlkampf; Obama und auch Putin flimmern über die Leinwand. Der rastlose Bilderreigen dröhnt und ermüdet in seiner Beliebigkeit, bevor der letzte Akt fesselnde Bilder findet: Der einst idealistische, an Intrigen gescheiterte und verlassene Rienzi sitzt verstört in einer Art Buchstabensuppe und kriegt weder seinen Namen noch politische Leitsätze sortiert. Zuletzt verschlingt ihn jener Feuerspalt, der bereits den ganzen Abend über gefährlich gähnte. Die irre anstrengende Titelpartie ist mit Carsten Süss hervorragend und angenehm kultiviert besetzt. Sein heldisch getönter Tenor erweist sich in den Höhen als schwindelfrei und enorm spur- und geschmackssicher geführt. Auch der Rest des Ensembles überzeugt geschlossen. Mihkel Kütson bändigt die üppigen Orchesterfluten und den über 70-stimmigen Chor souverän und gibt in punkto Lautstärke und Blechgeknatter nicht klein bei. Die Partitur ist gewiss nichts für Freunde leiserer Töne.