TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Ist Beige nun eine Farbe, ein Zustand oder eine ästhetische Haltung? Ein Symbol für elegante Mode – Burberry – oder eine visuelle Zumutung, in die sich vornehmlich und immer noch die Rentner der Nation hüllen, als visueller Gegenpol zu ihren aktiven Altersgenossen, die sich in bunten Funktionsjacken dem Terror der Fußgängerzonen entgegenstellen? (Sicherlich – alt werden wir alle, aber das heißt ja nicht, dass man sand- und tarnfarben aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden muss.) Sowohl als auch, lautet die Antwort und passt damit perfekt zu Beige, diesem unauffälligen Zwischending in der Farbpalette. Kein Wunder, dass in den trägen 1980er Jahren die Badezimmereinrichtungen aus den 70ern in Dunkelgrün oder Orange durch beige- oder cremefarbene Armaturen und Fliesen ersetzt wurden. Keine Experimente, ich will so bleiben wie ich bin, das Mittelmaß wurde zum Trend. Sah ja auch irgendwie eleganter und heller aus als die dunkelgrünen Steingutfliesen.
Heute findet man in den Musterbüchern von Tapeten- und Stoffherstellern stattdessen zum selben Farbton die Bezeichnung »Warm-Grey«; also eine Art urban-euphemistisches Hipster-Beige. Schade eigentlich, denn Beige hat sich bereits im 19. Jahrhundert aus dem französischen Sprachgebrauch heraus als Synonym für »sandfarben« etabliert. Thomas Burberry entwickelte bereits 1870 den gleichnamigen, beigen, wasserabweisenden Stoff und schneiderte Mäntel daraus. Diese trugen französische und britische Soldaten während des ersten Weltkrieges in den Schützengräben (englisch: trench) – der Trenchcoat war geboren und kleidete später elegante Film-Gauner wie Alain Delon oder Fernsehkommissare wie Derrick; und auch Columbos knittrigen, beigen Ermittlungskittel könnte man als Trenchcoat durchgehen lassen.
Das, was man als Farbe Beige versteht, ist längst im Farbbestimmungssystem RAL verbindlich definiert – unter der Bezeichnung RAL 1001. Weitere sandig-erdige Nuancen sind Grünbeige (RAL 1000), Braunbeige (RAL 1011), Graubeige (RAL 1019) und Perlbeige (RAL 1035). Eine Sonderstellung nimmt dabei RAL 1015 ein, das offiziell gar kein richtiges Beige ist, sondern Hellelfenbein. Dieser Farbton ist seit 1971 in der Bundesrepublik für Taxen vorgeschrieben, da die Fahrzeuge bei Dunkelheit so besser zu identifizieren sind; außerdem laden sie sich in heißen Sommern bei längeren Standzeiten nicht so schnell mit Hitze auf – bis 1971 waren die Taxen in Deutschland schwarz lackiert. Diese Vorschrift ist mittlerweile gelockert worden; zwar bestimmen die beigen Limousinen weiterhin das Straßenbild, es ist aber an den Bundesländern, die Farbwahl zu liberalisieren. Lobbygruppen werden da ihr Übliches tun, wenn auch aus kaufmännischen statt ästhetischen Gründen. So rechnet der Taxiverband Deutschland (TVD) vor, das bei einem Wiederverkauf des Wagens in der charakteristischen Lackierung mit einem Wertverlust vom 1000 bis 5000 Euro zu rechnen sei.
Deutschland hat eben keine coolen Yellow Cabs wie New York City oder elegant-schwarze Taxen wie London; obwohl auch diese mittlerweile vom eigenen Mythos leben. Da passt das etwas biedere, unglamouröse Beige doch etwas besser zur Bundesrepublik; auch visuelle Langeweile kann zum Identitätssymbol werden. Das war schon bei den olivgrün-beigen Polizeiuniformen so, die 1976 zwecks optischer Vereinheitlichung eingeführt und von Modedesigner Heinz Oestergaard entworfen wurden. Obwohl die eigenwillige Farbwahl in der Kritik stand, war die Schutzpolizei stets identifizierbar, was bei den heutigen, schwarz-blauen Uniformen schwieriger geworden ist. Der beige Beamte der damaligen Zeit wurde Opfer von Beleidigungen wie »Da kommt der Schützenverein« oder »Sie Oberförster!«. Wobei – letzteres wurde von einem Gericht nicht als Beleidigung anerkannt, da ein Oberförster laut Beamtenrecht, im Gegensatz zum Polizisten, im höheren Dienst arbeitet.