TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Zugegeben – eine Schönheit ist er nicht gerade. Der Pommes-Pieker taugt auf den ersten Blick nicht zum Designklassiker, dem ein Platz für die Ewigkeit im Museum of Modern Art sicher wäre, und auf die Idee, ihn auf hippen Partys herumzuzeigen, kommt wahrscheinlich auch niemand. Er gehört zu den etwas sperrigen Schönheiten des Alltäglichen, die gerne übersehen werden. Der gemeine Pommes-Pieker ist unauffällig, scharfkantig – und vor allem: praktisch. Kein Ding für die Ewigkeit, aber für die Verzehrspanne einer Schale Pommes genau richtig.
Form follows Fritte. Die billigen, aus farbigem Polystyrol gepressten Pieker sind Kinder des Fast-Food-Zeitalters – nach Gebrauch sind sie reif für die Tonne, was zwar Reinigungskosten spart, die CO2-Bilanz einer Schale Fritten aber nicht gerade verbessert. Kein Designer brüstet sich öffentlich mit dem Entwurf des Piekers, und mit Design-Preisen wurde er bisher auch nicht überhäuft. Seine Farbpalette wirkt willkürlich gewählt und reicht von Signalfarben bis zu verwaschenen Tönen, die an frühere Trabbi-Karosserien erinnern: matschiges Gelb, angeschmutztes Hellblau oder Urinalstein-Grün. Wer dieser Farben überdrüssig wird, findet beim Kramen im Piekerkörbchen auf dem Tresen mit etwas Glück auch Exemplare in Weiß oder Schwarz.
Hinweise auf den Erfinder des Ess-Werkzeugs verlieren sich in den Fritteusen-Schwaden der Pommes-Historie. Man kann natürlich ein wenig in der Mythologie kramen und den römischen Meeresgott Poseidon, der bei den Griechen als Neptun firmierte, zutage fördern, dessen Dreizack zwar einem überdimensionierten Pommes-Pieker ähnelt, der aber hauptsächlich dafür bestimmt war, das Meer durchzupflügen. Auch die Figur des römischen Gladiators »Retiarius« war wie das göttliche Vorbild mit Dreizack und Fangnetz ausgestattet, auch der Teufel wurde oft mit dieser Waffe dargestellt.
Das Einzige, was die heutigen Pommes-Pieker mit dem antiken Vorbild verbindet, ist die Anzahl der Zinken; jedenfalls in der Kunststoff-Version. Manche Buden halten die hölzerne, formschön-gerundete Variante mit zwei Zinken bereit. Sie wird gern in Szene-Imbissen zur mit Blattgold bestäubten Edel-Currywurst gereicht und passt besser zur Inneneinrichtung als der etwas prollige Plastik-Pieker. Dort geht der Trend zur Mischung aus Dekadenz und Designbewusstsein – so ist der klassische Pieker auch in Sterlingsilber samt Etui erhältlich. Etwas bodenständiger war das Modell »Fritz & Frieda«, das die Solinger Besteckfirma »Carl Mertens« vor einigen Jahren im Sortiment hatte. Diese Pieker wurden aus gebürstetem Edelstahl gefertigt, besaßen eine weiterentwickelte Grundform und wurden zielgruppengerecht in einer Pommesschale aus Pappe verkauft. Ob man sich mit solchen Geräten aber an der Bude um die Ecke sehen lassen sollte, ist Geschmackssache.
Ebenfalls aus Edelstahl sind jene Pieker, die auf der hölzernen, zweizinkigen Form basieren und in der Heavy-Metal-Szene zu finden sind. Versehen mit der Gravur »Heavy Metal is the Law« und einer Kette erinnern sie an militärische Erkennungsmarken. Sie sollen aber nicht nur dem angeblichen Lieblingsessen der Hartmetaller huldigen, sondern verweisen auf die »Gehörnte Hand« (ital. Mano cornuta), bei der Zeigefinger und der kleine Finger in die Luft gereckt werden. Dieser satanistische »Teufelsgruß« wird auch »Metal Fork« genannt, was im deutschen Sprachraum zu der hübschen Entsprechung »Pommesgabel« geführt hat.