TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Kindheitserinnerungen: Die Flasche in Omas Badezimmerschrank. Oder in der Handtasche in Form der gefürchteten Erfrischungstücher zum Abwischen schmutziger Enkelwangen. Der Schulausflug nach Köln, wo das »4711«-Logo bis heute übergroß am Hauptbahnhof leuchtet, mit Abstecher in die Glockengasse. Und natürlich die Geschichte, dass es die Truppen Napoleons waren, die dem Haus, und somit auch der Marke, die Nummer 4711 verpassten.
Das »Echt Kölnisch Wasser« – oder etwas eleganter »Eau de Cologne« – gehört neben dem Kölsch zu den berühmtesten und bekanntesten Flüssigkeiten der Domstadt; und das schon sehr lange: Der Legende nach erhielt der junge Kaufmann Walter Muelhens 1792 zu seiner Hochzeit von einem Mönch die Geheimrezeptur für ein »Aqua mirabilis«, ein Wunderwasser für die innere und äußere Anwendung. Schnell eröffnete er in der Glockengasse eine kleine Manufaktur, die 1797, im Zuge der städtischen Neuordnung durch die französischen Besatzungstruppen, die Hausnummer »4711« erhielt. Als Napoleon 1810 die Offenlegung aller medizinischen Rezepturen verlangte, deklarierte Muelhens sein Wunderwässerchen sicherheitshalber als »äußerlich anwendbaren Duft« um.
1820 entwickelte der Destillateur Peter Heinrich Molanus die bis heute bekannte, sechseckige »Molanusflasche« mit dem charakteristischen Etikett in Gold und Bremer Blau. Sie löste die bisherigen, schmalen »4711«-Flaschen ab, die nur liegend transportiert werden konnten und nicht stapelbar waren. Die neuen Flaschen boten zudem mehr Platz für das Etikett, das nicht nur als erstes farbiges seiner Art in die Geschichte einging, sondern die kostbare Flüssigkeit zudem vor Sonnenlicht schützte. Seine opulente Ornamentik und Farbgebung wurde zwar immer wieder leicht verändert und angepasst – dennoch ist die Flasche bis heute eine Design-Ikone. Die auf dem Etikett abgebildeten Medaillen zeigen eine Auswahl der Auszeichnungen, die die Firma in ihrer Geschichte auf diversen Weltausstellungen erworben hat. Das französische »No.« und die kleine Glocke, die die Zahl »4711« einrahmen, verweisen nochmals auf die Kölner Adresse.
Eine wesentliche Design-Änderung erfuhr »4711« mit dem Duft »Nouveau Cologne«, der passenderweise am 4. 7. 11 eingeführt wurde. Ergänzend zur Traditionsmarke »4711« gestaltete der Verpackungsdesigner Peter Schmidt eine aufgeräumte Version des bisherigen Etiketts mit hohem Weißanteil und einer zurückgenommenen Spielart des Bremer Blau; auch der Schriftzug »4711« wurde modernisiert. Herausgekommen ist eine Wellness-Variante mit »Feel-Good Fragrance« für die jüngere Zielgruppe; ein etwas bemühter Versuch, das leidige Oma-Image loszuwerden.
Dabei war die Marke in den 1920er Jahren dermaßen mondän, elegant und erotisch-flirrend, dass der damalige Kölner Erzbischof »4711«-Werbeplakate wegen zu viel nackter Haut abhängen ließ. 1933 zierten dann zwei brave, pausbäckige Kinder mit Weihnachtsbaum, Geschenken und übergroßer Parfümflasche die Plakate – »Da freut sich Mutti«. Auch auf den Plakaten der Wirtschaftswunderzeit gab man sich zeitgeistig-bieder.
1967 war »4711« immerhin auf der Höhe der Technik und produzierte den ersten farbigen TV-Werbefilm Deutschlands. Ein kleiner Kostümfilm, der noch einmal die Vergangenheit rekapitulierte und einen französischen Soldaten zeigte, der schwungvoll die »4711« auf eine Hauswand pinselte. In der Uniform steckte aber kein Schauspieler, sondern der damalige Werbeleiter, da nur er als einziger in der Lage war, den Schriftzug schnell und in einem Zug auf die Kulisse zu malen.