Gefüllte Erdbeeren. Darauf muss man erst mal kommen. Erdbeere waschen, der grüne Strunk raus, dafür eine Mandel hinein – fertig. Der Fernsehkoch Clemens Wilmenrod soll diese Kreation erfunden und als erster in seiner Sendung, die von 1953 bis 1964 ausgestrahlt wurde, vorgestellt haben. Auf sein Konto gehen auch der Toast Hawaii oder das »Arabische Reiterfleisch«, hinter dem sich ein einfaches Hackfleischgericht verbarg. Wilmenrod zelebrierte die Innovationen des Wirtschaftswundersupermarktes und verwendete lustvoll Dosengemüse, Ketchup und Konserven für seine Rezepte.
Kochen bedeutete zu dieser Zeit vor allem Arbeit – die Hausfrau am Herd benötigte Tipps und Anregungen, um den Gatten allabendlich ein warmes Mahl zu servieren. Den Blick über die kulinarische Grenzen brachten Sendungen wie »Hotel Victoria« (1961-1968), eine Unterhaltungsshow in mondäner Hotelkulisse, moderiert von Vico Torriani. In jeder Sendung gab es ein von Torriani gesungenes Kochrezept, wie etwa für den »Plim-Plam-Plumpudding«, »Kebab Oriental« oder das »Filetto Fantastico«, die später sogar als Schallplatte veröffentlicht wurden.
In einer Gesellschaft, in der immer weniger selbst gekocht wird, bilden die Kochshows das visuelle und akustische Surrogat. Wenn schon die eigene Küche kalt bleibt, soll es wenigstens im Fernsehen brutzeln, köcheln und zischeln. Und wenn dann noch einer wie Alfred Biolek »Hmmmmh!« ruft, ist die Illusion perfekt. Biolek hatte zwischen 1994 und 2007 mit 459 Episoden von »Alfredissimo!« der Kochshow das Sinnliche zurückgegeben. Der Weg war das Ziel – nicht das Gericht stand im Mittelpunkt, sondern dessen gemeinsame Zubereitung mit (prominenten) Gästen. Gegessen wurde leger und kochweinumspült im Stehen in der Kulisse, die Bioleks eigener Küche nachgebildet war und dessen offene Kochinsel zum neuen Einrichtungstrend wurde.
Bei »Lafer! Lichter! Lecker!« wurden hingegen die unterschiedlichen Charaktere der Köche zelebriert. Während Lafer gehobene Küche zubereitete, brutzelte Lichter deftige Hausmannskost – dementsprechend war das Bühnenbild in der Mitte geteilt. Lafer kochte in einer hellen Design-Küche, Lichters hölzerne Hälfte war hingegen gemütlich mit Kannen, Töpfen und weiterem Nippes zugerümpelt. Bei aktuellen Kochshows wie »Grill den Henssler« ist Kochen wieder Schwerstarbeit – jedenfalls als Inszenierung. Industriekulturästhetik dominiert das Studiodesign mit Stahlträgern und Ziegelmauern; im Vorspann sieht man Henssler im Hitzeschutzmantel beim Stahlabstich, wie einst Vadder bei Krupp.
Den breitesten Einblick in andere Küchenwelten bietet ausgerechnet eine Kochshow ohne eigenes Studio. In »Kitchen Impossible« schicken sich Tim Mälzer und Kochkolleg*innen gegenseitig in diverse Länder, um dort Gerichte nachzukochen. Sie landen dabei in blankpolierten Schickimicki-Sternerestaurants, aber auch in Kombüsen oder in der angeschrammten Einbauküche einer katalanischen Großmutter. Scheitern ist dabei erlaubt, trotz und gerade wegen Mälzers symphatisch-großfressigen Art. Eine Erdbeere mussten er und seine Mitstreiter*innen bisher aber nicht füllen.