TEXT: ANDREAS WILINK
Das hätte leicht schief gehen, sich sentimental, pathetisch oder kitschig anfühlen und den Mitleid-Bonus ausspielen können. Tut es alles überhaupt nicht. Die Geschichte dreier behinderter Twens, die einmal das erleben wollen, wovon große Jungs nun mal so träumen, hat viel Herz und schrägen Humor, schlägt keine falschen Töne an und lässt Konflikte nicht aus. Richtig gutes Kino.
Als erstes schaut die Kamera ausgiebig in die Dekolletés zweier am Strand joggender Schönen. Sie übernimmt damit stellvertretend den Blick von Philip (Robrecht VandenThoren), der sie von der Veranda des Ferienhauses aus mit dem Fernglas beobachtet. Vom Hals an abwärts gelähmt, muss er gefüttert, gewaschen, ins Bett gebracht werden. Intimzonen gibt es für ihn nicht. Da geht es Lars (Gilles de Schryver), der noch seinen Oberkörper bewegen kann, auf den ersten Blick besser. Scheint aber nur so. Er hat einen bösartigen Tumor, der Krebs schaltet seine Funktionen langsam aus – oder auch schneller. Der dritte, Jozef (Tom Audenaert), ist unter den Lahmen als Blinder König. Die Freunde reden vor allem über und denken nur an: Sex. An der spanischen Küste, hat einer gehört, soll sich ein Bordell, ElCielo, spezialisiert haben auf behinderte Männer. Da wollen sie hin, natürlich ohne Eltern, denen sie weismachen, es sei an der Zeit, einmal allein eine Ferienreise zu unternehmen. Wenn auch zögernd, stimmen die zu – bis der aktuelle Befund von Lars’ Krankheit den Plan beendet. Aber die Drei geben nicht auf und beschließen, heimlich abzuhauen. Eine Flucht unter erschwerten Bedingungen: Wie packt ein Blindgänger seinen Koffer, wie schafft es jemand, der sich nicht rühren kann, seinen Kram zu organisieren, inklusive Kondome? Nachdem für die ursprüngliche Tour ein schicker Kombi mit allen Schikanen und ein erfahrener Pfleger engagiert worden waren, ist nun nur Zweitbesetzung gebucht: der Bulli eine alte Kiste und die Fahrerin und Pflegerin ein Mordskaliber: Claude (Isabelle de Heertogh), pfundig, ruppig, mundfaul und als französischsprachige Belgierin für die Flamen auch noch ein Verständigungsproblem.
»Hasta LaVista« ist ein Roadmovie und ein besonderer Liebesfilm übers Erwachsenwerden und Abschiednehmen, wobei die Zeit der Jugend hier niemals heil ist. Aber etwas Besseres als der Tod dann doch. Nach der ersten desaströsen Nacht im Hotel sinkt die Stimmung auf Null. Claude aber erweist sich dann als Perle. Bereitet ihnen ein Bett unterm Sternenzelt und kutschiert sie mit Zwischenstopp – nach neuerlichem Veto und Zugeständnis der aufgebrachten Eltern – zum Ziel unter Palmen. Das Reifezeugnis der Mannwerdung bekommen die Drei, aber nicht so, wie erwartet. Es gibt Szenen, die man nicht vergessen wird: Wenn Lars, der weiß, dass er bald sterben muss, die zur Faust geballte Hand seines Vaters ergreift, dessen Spannung sich mit der Berührung löst, der seinen Sohn ziehen und ihn sein Abenteuer erleben lässt und dafür auf die letzte gemeinsame Lebensspanne mit ihm verzichtet.
»Hasta La Vista«; Regie: Geoffrey Enthoven; Darsteller: Robrecht VandenThoren, Gilles de Schryver, Tom Audenaert, Isabelle de Hertogh; Belgien 2011; 115 Min.; Start: 12. Juli 2012.