Text Honke Rambow
Darf man ein Gotteshaus schick finden? Die Frage stellt sich angesichts der eleganten Holzarchitektur, die das Berliner Büro Sauerbruch/Hutton für die Immanuelkirche in Köln-Stammheim entwickelte. Pfarrer Thomas Fresia hat damit kein Problem: »Ein tolles Gebäude mit einer Wahnsinns-Atmosphäre«.
Bereits 2013 wurde die evangelische Kirche mit angeschlossenen Gemeinderäumen und einer kleinen Kapelle fertig gestellt. Seitdem hagelt es Auszeichnungen: Nach dem Holzbaupreis NRW folgte der Kölner Architekturpreis und später der Architekturpreis NRW. In diesem Jahr schaffte es der Sakralbau auf die Shortlist für den Mies Van der Rohe Award.
Thomas Fresia übernahm die Pfarrstelle erst vor wenigen Wochen, aber mit seiner Kirche ist er schon ganz eins. Er kommt nicht umhin, sich intensiv mit der Architektur zu beschäftigen: »Seit der BDA-Auszeichnung haben wir ständig Fernsehteams, Journalisten und Besuchergruppen«, erzählt er. Ob er sich über so viel weltliches Interesse freut? »Klar. Es kann kaum etwas Besseres passieren. Wenn die Menschen von dem Raum beeindruckt sind, ist das schon mal ein Anfang.« Er wolle das zwar nicht spirituell überhöhen, aber das Interesse an Kirche sei jedenfalls gut, auch wenn es zunächst übers Äußere, das Gehäuse laufe. Der viele Wirbel sei freilich auch eine Belastung, gesteht Fresia ein. Doch die Gemeinde ist engagiert; es haben sich ehrenamtliche Helfer gefunden, die Führungen durchs Gotteshaus übernehmen.
Bauten von Sauerbruch/Hutton sind meist auf den ersten Blick an ihren vielfarbigen Fassaden zu erkennen. Die Immanuelkirche allerdings nicht; sie ist eine Ausnahme mit ihrer dunklen Fassade aus schrägen Holzlamellen. Im Innern dominiert gekalktes helles Holz. Die Besucher empfängt eindrücklich der Duft des Holzes, wenn sie den Vorraum durch das schmale Hauptportal betreten. Erst an der Chorwand hinter dem Altar finden sie das typische Stilmerkmal der Architekten. Die Orgel verbirgt sich hinter dem sogenannten »Screen«: ein deckenhohes Raster aus verschiedenfarbig dünnen Holzrippen, die wie langgezogene Pixel einen Farbverlauf von dunkleren Tönen unten hin zu fast absolutem Weiß an der Decke bilden.
»Wenn man lange darauf schaut«, sagt Fresia, »kann es vor den Augen flimmern«. Er habe schon überlegt, mal im Streifenpullover zu predigen, scherzt er. Gewiss gebe es auch Gottesdienstbesucher, die mit dem Neubau noch Schwierigkeiten hätten. »Es ist immer heikel, wenn etwas abgerissen wird, an das sich persönliche Erinnerungen knüpfen. Und manchen fehlt an der Chorwand ein großes Kreuz.« Ein Gebäude aus den 1950er Jahren und das Bonhoefferhaus wurden abgerissen, ein Wettbewerb ausgelobt. Die neue Kirche wurde zu großen Teilen über Spenden der Gemeinde finanziert.
Kirchenbau ist für Architekten eine ebenso seltene wie dankbare Aufgabe, da weit mehr in Form als in Nutzen gedacht werden kann. Die Immanuelkirche allerdings ist nicht als reiner Sakralraum geplant, sondern als Verbund mit den Räumen des Gemeindezentrums, die sich gewissermaßen in den Seitenschiffen befinden. Direkt neben dem Altarraum ist hinter einer komplett aufschiebbaren Wand ein Probenraum für die Kirchenbands untergebracht. Da müssen keine Instrumente mehr geschleppt werden.
Fresia hat vorher in vier anderen Kirchen gewirkt, »alle baulich rein auf das Gottesdienstgeschehen fokussiert«. Die Immanuelkirche, mit zwei- bis dreihundert Gottesdienstbesuchern sonntags gut ausgelastet, sollte und darf flexibel sein auch für andere Veranstaltungen. Fresia begeistert sich für Details, über die man sonst eher in Bürobauten oder Wohnhäusern nachdenkt. Zum Beispiel, dass genügend Anschlüsse installiert wurden, nicht nur für die Soundanlage, auch für den Spieltisch der Orgel.
Überraschend an dem Entwurf ist, dass von der sehr schmalen Kopfseite des Baues aus überhaupt nicht zu ermessen ist, was dahinter liegt. Erst im Innern öffnet und weitet es sich zum Altar hin, der durch ein Oberlicht und den Screen regelrecht inszeniert ist. Tritt man wieder zurück ins Freie, wundert man sich von Neuem über das kleine Format. Die Kapelle neben der Kirche ist als täglich zugänglicher Gebetsraum auch außerhalb der Gottesdienstzeiten gedacht.
Am liebsten steht Thomas Fresias ganz oben auf der Empore. Von dort lasse sich der Raum am besten genießen, sagt er, wichtiger aber sei der Blick durch die große Scheibe nach draußen. »Man sieht durch das milchige Glas die Bäume und den Himmel, und plötzlich denkt man, es wäre eine Spiegelung und man stünde eigentlich im Freien.« Ob die Architekten das so geplant hätten, weiß er nicht: »Das ist das Schöne an Kunst: Man kann damit umgehen und sich seinen eigenen Reim machen«.
Immanuelkirche, Brückenschlag-Gemeinde, Köln Flittard/Stammheim, Bonhoefferstraße 8.