TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Was macht ein Japaner am Niederrhein? Normalerweise Kunst, manchmal aber auch Möbel. Ein Umstand, der sich weit weniger ausschließt als man denkt. Schließlich steht hinter den Möbeln der »editionformform« der Künstler Katsuhito Nishikawa, der auf dem Gelände der Raketenstation der Stiftung Insel Hombroich lebt und arbeitet. 1949 in Tokyo geboren, studierte er zunächst an der dortigen Keio University, in Deutschland schließlich an der Kunstakademie München und der Kunstakademie Düsseldorf bei Erwin Heerich. Gemeinsam mit Heerich, Oliver Kruse und dem Sammler Karl-Heinrich Müller entwickelte er das Konzept der Stiftung Insel Hombroich mit. Neben der Malerei bilden bei Nishikawa Rauminstallationen, Architekturkonzepte und Skulpturen weitere Arbeitsschwerpunkte. Bei seinen begehbaren Skulpturen auf der »Raketenstation« verwischen bewusst die Grenzen zwischen Kunst und Architektur.
Ähnliches gilt für seine Möbelentwürfe der »editionformform«. Wenn ein Künstler Möbel gestaltet, ist er dann zwangsläufig Designer? Und wo hört ein Stuhl auf und fängt eine Skulptur an? Die »editionformform« hält sich bewusst zurück – Nishikawas Einrichtungsgegenstände sind schlichte Schönheiten; pures Understatement. Ursprünglich hat er sie vor Jahren für das Künstler-Gästehaus »Kloster« auf der Raketenstation entworfen. Dort sollten sie nicht nur optisch eine Einheit bilden, sondern sich zudem harmonisch in die Architektur einfügen. Dafür sorgt die Wahl des Materials – massive Platten aus Eichenholz, die in drei Schichten aufgebaut sind, sowie die reduzierte Formensprache. Das ist der Unterschied zu den Möbeln anerkannter Designer, wie beispielsweise die Sessel von Charles Eames, die immer wie ein Einzelstück prominent den Raum beherrschen und sich mit ihrer Extravaganz von der Umgebung abheben.
Die Stücke der »editionformform« besinnen sich ganz auf ihre Funktion, verzichten auf Schnörkel, leisten sich gleichzeitig aber den Luxus interessanter Details. So bekommt der Stuhls »NF 09T« durch die raffinierte, angeschrägte Rückenlehne eine eigenständige Silhouette. Die Verarbeitung tut ihr übriges: Nishikawa hat bei seinen Entwürfen immer auch die wechselnde Maserung des Holzes visuell mit einkalkuliert. Außerdem haben alle Horizontalen ein filigrane Anmutung – sei es durch gezielte Konstruktion oder durch die Dicke des Materials; so ist die Sitzfläche der Stühle nur 5 mm stark und gibt beim Sitzen dezent nach.
Man kann sich, bis auf die Küche, mit den Möbeln der »editionformform« annährend komplett einrichten: Neben den diversen Stühlen sind Sessel und Sitzelemente im Sortiment, die sich zu regelrechten Sitzlandschaften kombinieren lassen; es gibt Tische in verschiedenen Größen, ein Bett, eine Bank, eine Kommode, ein Regalsystem und eine Art Vitrine, in der beispielsweise die zarten Porzellanskulpturen Nishikawas in Form der Physalisfrucht Platz finden könnten. Die Exponate werden auf Nachfrage produziert, eine Lagerhaltung gibt es nicht. Nishikawa betreibt natürlich keine Möbelfabrik auf der Raketenstation, die Stücke werden in einem kleinen Betrieb gefertigt, mit dem er schon seit Jahrzehnten zusammenarbeitet. Kontinuität im Arbeiten und Denken – trotzdem sucht Nishikawa eine breitere Öffentlichkeit für die »editionformform«. So war diese auf der Messe »Cologne Fine Art« zu sehen und wurde zudem im Januar 2011 auf der »Designers Fair« in einem jungen, progressiven Designumfeld präsentiert.