INTERVIEW: STEFANIE STADEL
Was sich nicht alles aus dem Container machen lässt: ein Wohnhaus etwa, das mit der jungen Familie wachsen kann. Ein saisonal verwendbares Restaurant am Strand von Warnemünde. Ein leicht transportables Reise-Museum, das Kindern in den kulturfernen Regionen Afrikas zeitgenössische Kunst nahe bringen soll. Oder der Container auf Schlittenkufen, entworfen vom Künstler Lutz Fritsch als »Bibliothek im Eis« für die Wissenschaftler der deutschen Forschungsstation in der Antarktis.
Das NRW-Forum hatte Architekten, Künstler, Designer nach ihren Ideen und Entwürfen zur mehr oder weniger artfremden Nutzung der Standard-Box gefragt und fühlt sich durch die Masse der Einreichungen bestätigt in der Annahme, dass die glorreiche Erfindung aus dem Jahre 1956 voll im Trend liegt – bei den Kreativen. Eine Auswahl von über hundert ihrer zum Teil bereits realisierten, zum Teil eigens für die Ausstellung erdachten Container-Architekturen präsentiert nun die Düsseldorfer Schau. Darunter auch ein temporäres Museum für den FC St. Pauli – 2010 realisiert durch Patrick Pütz und Jochen Reetz, die unter dem Namen »Komma4« firmieren. Und ein mobiles Bürogebäude aus Containern, das Komma4 auf Zeche Zollverein errichten sollte.
K.WEST: Wenn Sie sich umsehen unter den Kollegen – ist der Container aktuell tatsächlich so angesagt wie in der Düsseldorfer Ausstellung behauptet? Oder wird durch solche Veranstaltungen nicht eher ein Trend herbeigeredet?
PATRICK PÜTZ: Natürlich baut man schon sehr lang mit Containern. Aber man kann sagen, dass er zur Zeit eine Art Renaissance erlebt. Die Scheu scheint weg. Früher war der Container oft eher negativ behaftet, weil man ihn in sehr vielen Bereichen als minderwertige Lösung eingesetzt hat. Denken Sie zum Beispiel an Baucontainer oder Containerwohnungen für Asylanten. Ich könnte mir vorstellen, dass die Neubewertung des Containers Teil einer Bewegung ist. Seit Jahren schon entdeckt man ja auch die Schönheit von Industriebauten, nutzt sie um für kulturelle Zwecke.
Jochen Reetz und ich haben Lehraufträge an den Unis in Wuppertal und Bochum. Da bemerken wir auch, dass sich ungeheuer viele Studenten dem Thema Container nähern. Nur schade, dass sie oftmals viel zu naiv damit umgehen. Es ist ja nicht alles machbar mit so einem Modul. Wirklich sinnvoll ist der Einsatz des Containers nur, wenn man nicht zu viele Sachen hinzufügen muss, die eigentlich nicht zum Container gehören.
K.WEST: Bei manchem Entwurf scheint es doch vor allem um den Gag zu gehen. Warum zum Beispiel sollte man ein luxuriöses Wohnhaus mit Edelstahlküche und Kamin aus Frachtbehältern bauen? Da scheint doch eher der Wunsch des Bauherrn nach extravagantem Wohnambiente der Grund.
PATRICK PÜTZ: Man muss klar unterscheiden, und das wird häufig nicht getan. Auch die Ausstellung trennt nicht ganz sauber zwischen dem klassischen Seecontainer mit seinen für den Transport genormten Maßen und Containermodulen, die speziell zu Wohnzwecken hergestellt werden. Also nichts mit dem Transport von Gütern zu tun haben. Mit solchen Modulen Wohnungen oder Häuser zu bauen, kann durchaus sinnvoll und ästhetisch sehr interessant sein. Der Frachtcontainer ist dagegen kaum geeignet. Wenn man die Normen der Energieeinsparverordnung erfüllen will, wird das Ding als Wohnhaus eigentlich unsinnig. Man müsste so viel dämmen, dass der ohnehin schmale Innenraum viel zu eng und niedrig würde.
K.WEST: In der Ausstellung steht der Container als echter Tausendsassa da. Interessant erscheint vor allem die Nutzung als gut transportable, leicht und überall verfügbare Katastrophen-Hilfe. Nehmen wir etwa das Düsseldorfer Büro Ingenhoven Architekten mit seinem Entwurf eines mobilen Notfall-Containers – vollgestopft mit Hilfsmitteln, die den Opfern nützen können.
PATRICK PÜTZ: Notfall-Hilfe mag ein Thema sein. Doch ist die Frage, ob es wirklich zweckmäßig ist, den Container auf diesem Gebiet einzusetzen. Es fängt damit an, dass Seecontainer für den Transport per Schiff gemacht sind. Das ist der erste Haken. Für wirklich schnelle Hilfe, die ja per Flugzeug erfolgen müsste, scheint er mir ungeeignet. Hinzu kommt, dass ein Container relativ teuer ist. Auch die Aufstellung vor Ort kann zum Problem werden, denn der Boden sollte eben sein. Hinzu kommt, dass die Türen sehr schwer und nur von außen zu öffnen sind. Das Klima in einer solchen Kiste ist fürchterlich, denn für Luftaustausch sorgt nur eine winzige Luke. Man müsste also den Con-tainer total umbauen, bevor man ihn für diese Zwecke benutzt.
Trotzdem: Die große Verbreitung und Verfügbarkeit könnte ein Vorteil sein. Allerdings ist nicht jeder Container ohne weiteres als Unterkunft nutzbar. Praktisch jeder ist gebraucht. Vieles wird darin transportiert – von verrottendem Fischfutter bis zu Maschinen, aus denen irgendwelche Säuren austreten. Im Hafen desinfiziert man die Container zwar, aber mit Industriemitteln, die stark riechen und super gesundheitsschädlich sind.
K.WEST: Wofür kann der Architekt also den Frachtcontainer überhaupt gebrauchen?
PATRICK PÜTZ: Ich finde ihn besonders interessant für temporäre Architekturen, Ausstellungsräume etwa. Oder für Sonderarchitekturen wie ein Strandcafé. Doch sollte man nicht glauben, dass er unbedingt preisgünstiger ist als andere Lösungen. Für den Container kann sprechen, dass er vielleicht besondere Inhalte vermittelt. Unser Museum für den FC St. Pauli zum Beispiel hat eine Ausstellung zum 100. Geburtstag des Vereins beherbergt. Die Auftraggeber wollten den Container auch, weil er mit seinen Gebrauchsspuren für die wechselvolle Geschichte stehen kann. Und weil die Beulen irgendwie ehrlich sind, so wie der Verein es sein möchte. Abgesehen davon finde ich eine Container-Architektur hier sehr viel spannender als irgendeine herkömmliche, denn sie ist außergewöhnlich und regt zu Diskussionen an.
K.WEST: Könnten sich die Diskussionen und der Überraschungseffekt nicht sehr schnell erschöpfen, wenn man den Trend-Behälter allenthalben für ähnliche Zwecke umnutzt?
PATRICK PÜTZ: Also, ich glaube nicht, dass sich das erschöpft. Man wird ja auch kreativer. Je experimentierfreudiger man mit den Sachen umgeht, desto schöner verwendet man sie auch. Es ist ein bisschen wie ein Legostein, der wird ja auch nicht langweilig.
NRW-Forum, Düsseldorf; bis 4. September 2011; Tel. 0211/89 266 90. www.nrw-forum.de