//__Einst turnte es sicher fröhlich durch adeliges Ambiente, allseits bewundert für das schicke Kostüm – feinste Arbeit in Seide und Silber. Nun hängt das arme Äffchen stocksteif ausgestopft an einem Ast im Keller des Wallraf-Richartz-Museums und legt mit dem topmodischen Outfit des 18. Jahrhunderts eindrucksvoll Zeugnis ab von der damals wohl ganz üblichen Vermenschlichung seiner Spezies. Die kostümierte Kreatur ist eines im bunten Gemisch der 120 Stücke, die im Kölner Haus unter dem Titel »Tierschau« zusam-mengewürfelt sind. Gemälde, Grafiken, Fotos, Skulpturen aus vier Jahrhunderten, dazu historische Präparate, Skelette und Fossilien als naturwissenschaftliche Zugaben.
Das Allerlei soll den Wandel im Verhältnis einerseits zeigen, wie sich neue Sichtweisen im Bild vom Tier widerspiegeln und wie andererseits Künstler durch ihre Kunst das sich wandelnde Verständnis mit geprägt haben. Das bunte Projekt ist ein Mitbringsel Blühms. Der seit eineinhalb Jahren amtierende Museumsdirektor im Wallraf-Richartz-Museum hatte sich demselben Thema schon einmal gewidmet und für seinen alten Arbeitgeber, das Amsterdamer Van-Gogh-Museum, eine Ausstellung daraus gemacht.
Blühms Kölner »Tierschau« könnte den Stammgast im Wallraf-Richartz-Museum nun ziemlich überraschen. Denn anstelle des gewohnten wohlgeordneten Parcours durch kleine und größere Ausstellungsräume erwartet ihn im Wechselausstellungs-Geschoss gefärbten, von Gitterstäben durchbrochenen Wandelementen hindurch. Jede Menge didaktisches Drumherum für Groß und Klein klebt neben den Exponaten an den Wänden. Während lehrreiche Spielereien und eine mit tierischem Kinderkram vollgestopfte Wunderkammer am Rande des Parcours den Nachwuchs bei Laune halten sollen, mag der erwachsene Besucher Muße finden, die zuweilen recht amüsante Geschichte des Miteinanders von Mensch und Tier in sieben Kapiteln nachzuvollziehen.
Los geht es im 17. Jahrhundert: Europäischen Forschern hatte sich auf Expeditionen ein ganz fremdes Tierreich geöffnet, und die in der Folge gemalten Tierbilder bezeugen immer noch, welche Faszination jene neu entdeckten exotischen Geschöpfe auf Wissenschaftler wie auch auf Künstler ausübten – so setzte etwa der Maler Franz de Hamilton am Ende jenes Jahrhunderts die ganze fremdländische Vogelschar samt Kakadu, Pelikan und Papagei mitten in eine europäische Waldlandschaft.
Im folgenden Kapitel zeigt sich die Fauna ganz rational unter der Lupe der Aufklärung, bevor sich der tierliebende Blick ganz auf den Affen fokussiert. Neben dem höfisch gestylten Äffchen am Ast hängen ein paar Bilder, die seine Artgenossen in Malermontur bei der Arbeit mit dem Pinsel zeigen und zweifellos auf die künstlerische Praxis des Nachäffens anspielen. Der schneeweiße Porzellan-Affe aus Meißen markiert dann einen Schritt Richtung Gegenwart, denn er wird nicht mehr als Mensch, sondern eben als Affe wahrgenommen. Rock oder Hose hat er abgelegt, nur das Feigenblatt vor der – immer noch menschlich aufgefassten – Scham ist geblieben.
Von hier aus ist es nicht mehr weit zur mehr oder weniger naturnahen Affengruppe – jedoch als Kunstrichtergremium, wie sie der Tierfreund, Darwinist und Maler Gabriel Max 1889 auf die Leinwand brachte. In den 1950er Jahren wird der legendäre Schimpanse Congo den Spieß umdrehen. Er sitzt nicht Modell, sondern schwingt selbst begeistert den Pinsel. Auch von diesem Affenspaß gibt es in Köln eine Kostprobe. Kaum zu glauben, dass sich Congos Malerei im Fahrwasser des abstrakten Expressionismus gut vermarkten ließ.
Aus dem Affenhaus entlässt Blühms Tierleben den Besucher dann unversehens in die »freie Wildbahn«, auf der sich Eugène Delacroix’ 1830 gemalter Tiger zum Spiel auf dem Rücken dreht. Ganz anders als die Klassizisten sah der Romantiker das Geschöpf nicht in feierlicher Pose, sondern beobachtete genau sein Verhalten und fixierte es ganz unmittelbar.
Auf das natürliche Umfeld und die naturgetreue Aktion haben es nun offenbar auch einige Naturkundler abgesehen. Neben den sachlich-wissenschaftlichen Präparaten gewinnen Rekonstruktionen an Bedeutung, die wie aus dem Leben gegriffen wirken wollen. Ein kurioses Beispiel bietet in Köln ein Eisvogel, der mit ausgebreiteten Flügeln auf eine in Öl gemalte Landschaftsszenerie montiert ist.
Als kleine Höhepunkte hat Blühm, sicher auch dank alter Kontakte, drei Bildchen von Vincent van Gogh nach Köln holen können: einen fliegenden Hund, durch dessen ausgebreitete Flügel warmes Licht scheint; einen Krebs auf dem Rücken, der den Maler zur komplementären Farbstudie in Rot und Grün veranlasst. Und schließlich das Nachtpfauenauge. In einem Brief an seinen Bruder beschrieb van Gogh die »wunderbar feinen Farben« des Schmetterlings. »Schwarz, Grau … Weiß mit rotem Schimmer, das manchmal olivgrün zu sein scheint… Um es malen zu können, musste ich es töten, und das war schade, bei so einem schönen Tier.« Den Niederländer, das scheint auf den ersten Blick klar, interessierten nicht so sehr die Tiere als Tiere, sondern vielmehr das Licht und die Farben.
Der Ausstellungsspaß für die ganze Familie passt perfekt in das Konzept des neuen Wallraf-Chefs, der sich gewiss keinen ganz leichten Job ausgesucht hat. Kölns ältestes Museum hat Probleme, vor allem mangelt es ihm an Gästen: 2001 hatte das Traditionsinstitut den von Oswald Mathias Ungers geplanten Sandsteinquader zwischen Rathaus und Gürzenich bezogen. Als der Reiz des Neuen verflogen war, folgte bald die Flaute. So etwas sei ganz normal und immer wieder zu beobachten, erklärt Blühm. Erst komme der Run, und dann würden die Häuser vernachlässigt: zu wenig Geld, zu wenig Personal.
Wenn die Besucherzahlen sinken, müsse man »aktiv gegensteuern«, sagt er. »Nun könnte ich mir natürlich fünf große van Goghs leihen und damit das Publikum lokken«. Doch solche Art Kundenfang interessiert den Direktor überhaupt nicht. Vielmehr, so Blühm, gehe es darum, die »Qualität des einzelnen Besuchs« dauerhaft zu steigern. »Die Leute müssen sich wieder sagen: Da ist was los, da gehe ich gerne hin, da ist bestimmt etwas Spannendes zu sehen.«
Immerhin hat Blühm sich vorgenommen, sein Kunstmuseum zum besucherfreundlichsten in ganz Deutschland zu machen, und setzt dabei vor allem auf gute Vermittlung. Die Tierschau mit ihrer reichen Didaktik für Jung und Alt könne durchaus Modellcharakter haben für andere Aktivitäten im Museum. Der Hausherr will breitere und jüngere Kreise gewinnen und langfristig die jetzt eher klägliche Zahl von rund 100.000 Gästen jährlich verdoppeln. Das klingt ziemlich ehrgeizig, sei aber ernst gemeint, versichert der 1959 geborene Hanseat.
Für diesen Plan ist natürlich auch die ständige Sammlung sehr wichtig. Blühm hat begonnen, sie Etage für Etage publikumsgerecht umzukrempeln: angefangen mit dem dritten Obergeschoss, wo das 19. Jahrhundert untergebracht ist. Dort wurden aus dem New Yorker Museum of Modern Art bekannte, aber hierzulande nirgends verwendete Spots installiert, deren Licht den Gemälden viel mehr Tiefe und Brillanz verleiht. Unterschiedliche Wandfarben beleben den Weg durch die Säle. Jeder ist einem bestimmten Thema gewidmet, das auf Texttafeln an der Wand erläutert wird, so ist es sonst nur bei Wechselausstellungen üblich. Zu einzelnen Arbeiten gibt es eingehendere Erklärungen, und den informativen Rest erledigt gratis der in die Sitzmöbel integrierte Audio-Guide.
Die chronologische Ordnung wurde beibehalten, die Hängung aber scheint dichter als zuvor. Gewöhnungsbedürftig ist das Über- und Untereinander der Gemälde im zentralen Saal, wo es um die Entwicklung der Moderne aus Impressionismus und Postimpressionismus geht. Jetzt haben Blühm und sein Team sich der Barockabteilung in der zweiten Etage angenommen. Die Neueröffnung ist für nächsten November geplant. Für weitere Aktivitäten wäre dem Direktor eines ganz wichtig – die Verselbstständigung seines Hauses: »Das würde unsere Arbeit viel einfacher und effizienter machen.« Der Rat der Stadt hat die Umwandlung der Organisationsform in eine gemeinnützige Betriebsgesellschaft längst beschlossen, zurzeit arbeite man noch an den Details. Die Sache gehe aber, klagt Blühm, mehr als schleppend voran.
»Tierschau – Wie unser Bild vom Tier entstand«; bis 5. August 2007; Tel.: 0221/221-21119; www.museenkoeln.de