TEXT: HONKE RAMBOW
Es beweist gesundes Selbstvertrauen, dass Paul Schneider-Esleben sich sogar mit jemandem wie dem als Stararchitekten geltenden Helmut Jahn anlegte. Jahn hatte durch Um- und Anbauten den Entwurf des Kollegen für den Köln-Bonner Flughafen gefährdet, woraufhin Schneider-Esleben verlangte, in alle Planungen einbezogen zu werden, um sein Urheberrecht zu wahren. Kurz vor seinem Tod 2005 gab Schneider-Esleben dann doch klein bei und trat seine Rechte gegen Zahlung von 175.000 Euro ab. Die bemerkenswerte Struktur des Flughafens als erster Drive-In-Airport fiel den Planungen des Deutsch-Amerikaners Jahn zum Opfer. Bemerkenswert war Schneider-Eslebens beherztes Eintreten für sein Konzept auch deshalb, weil der Flughafen konsequent im Stil des Betonbrutalismus gebaut ist – einer Phase der Architekturgeschichte, die jenseits des Fachs selbst meist auf Ablehnung stößt. Zudem hatte seine Investition in die Beton-Fasson Schneider-Esleben den Ruf eines Mode-Architekten eingetragen, der am Trend entlang baue.
Bereits zu Beginn seiner Karriere zeigte Schneider-Esleben Streitbarkeit. Als Sohn des Denkmalpflegers Franz Schneider war er mit einer äußerst konservativen Architektur groß geworden, arbeitete dann 1947 kurze Zeit im Büro des großen Kirchenbaumeisters Rudolf Schwarz, wo er dessen gemäßigten Modernismus kennenlernte, um schließlich im Düsseldorf des Nachkriegs wiederum mit den konservativen Architekturidealen ehemaliger Mitarbeiter von Albert Speer konfrontiert zu werden. Für den ambitionierten langhaarigen Jungarchitekten waren in diesem Klima seine Aussichten, öffentliche Aufträge zu bekommen, äußerst gering.
Der Industrielle Franz Haniel war es, der ihn für eine Hochgarage engagierte und damit schlagartig bekannt werden ließ. Während die Düsseldorfer Verwaltung den Betonskelettbau am liebsten mit vorgehängter Glasfassade gleich hinter einer Blockrandbebauung versteckt hätte, feierte man andernorts das Gebäude euphorisch.
Mit dem Entwurf für das Mannesmann-Hochhaus etablierte sich Paul Schneider-Esleben endgültig als einer der führenden Architekten in Deutschland, der den Anschluss an den internationalen Stil und die auch technisch versierte Hochhaus-Avantgarde seiner Zeit herstellte. Man mag den Bau, als Stahlskelett mit Vorhangfassade ausgeführt, als, wenn auch gelungene, so doch Kopie der Arbeiten Mies van der Rohes in Amerika enttarnen. Dennoch markiert er einen Paradigmenwechsel in der bundesdeutschen Architektur. Nicht umsonst machte der Lichtkünstler Mischa Kuball das Hochhaus 1990 in einer seiner besten Arbeiten zum »Megazeichen«.
Konsequenterweise macht das Museum für Architektur und Ingenieurkunst NRW (M:AI) den Bau, der normalerweise der Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugänglich ist, zum größten Exponat einer Ausstellung aus Anlass von Schneider-Eslebens 100. Geburtstag. Anders als beim Köln-Bonner Flughafen ist das Mannesmann-Haus auch im Innenraum und mit Details im Originalzustand erhalten und so optimales Beispiel für das architektonische Denken des Baumeisters, der selbst Künstler, Möbeldesigner, Karikaturist und Maler war und stets nach der Verbindung aus technischer Innovation und künstlerischem Anspruch strebte.
Der zweite wesentliche Teil der Hommage befasst sich im Haus der Architekten unter dem Titel »Die Marke PSE – Architektur zwischen Erhalt und Abriss« mit der Person Schneider-Eslebens, der sich in seiner Heimatstadt zwischen Kunstakademie, Hochfinanz und den Kreisen der polyglotten Architektur-Avantgarde bewegte und der es hervorragend verstand, sich zu stilisieren. Neben einem Überblick über das vielfältige Gesamtwerk richtet man Überlegungen auf den Aspekt, wie heute mit den Zeugnissen der Nachkriegsmoderne umzugehen sei. Ein Thema, dem sich das M:AI ohnehin engagiert widmet. Besonders, da das Bewusstsein für die architektonischen Qualitäten dieser Ära in der allgemeinen Wahrnehmung nur gering ausgeprägt ist, bis in die Kommunalpolitik hinein. Nicht selten werden sogar herausragende Beispiele zur Disposition gestellt. Im Fall von Schneider-Esleben sieht es zwar recht gut aus, denn Haniel-Garage, Mannesmann-Hochhaus, Rochuskirche, Commerzbank-Hochhaus und Rolandschule stehen unter Denkmalschutz; doch eine herausragende Arbeit wie die Sparkasse in Wuppertal ist noch nicht geschützt; und der Flughafen Köln-Bonn beweist, wie gefährdet Bauten und ihre Ursprungs-Ideen durch unsensible Modernisierungen sind, auch wenn die Empfangshalle mittlerweile von störenden Einbauten bereinigt wurde.
Der dritte Teil der Ausstellung in der Kirche St. Rochus widmet sich der Geschichte des Sakralbaus, der auf den Fundamenten des im Krieg stark zerstörten Vorgänger-Gotteshauses nach Plänen Schneider-Eslebens entstand. Flankierend zu den drei dokumentarischen Bereichen setzen sich drei Künstler mit den Arbeiten Schneider-Eslebens auseinander. Der Fotograf Benjamin Zibner zeigt im Mannesmann-Hochhaus mit »Bastide Blanche« eine Serie von Aufnahmen aus dem privaten Anwesen Schneider-Eslebens in der Provence. Spannend dabei, dass der Umbau des Weingutes keinesfalls modernistische Handschrift belegt, sondern der Architekt für seinen persönlichen Rückzugsort nur den eigenen Bedürfnissen folgte. Alexander Basile beschäftigt sich in einer Videoarbeit mit dem Köln-Bonner Flughafen. Johannes Post widmet sich in Fotomontagen den nicht-realisierten Entwürfen Schneider-Eslebens (»PSE plant«) und bringt sie auf Plakatwände in der Düsseldorfer Innenstadt.
Paul Schneider von Esleben – Das Erbe der Nachkriegsmoderne, 23. August bis 24. September 2015, Düsseldorf, Mannesmann-Hochhaus, Haus der Architekten, Kirche St. Rochus; www.mai.nrw.de