Die 13 kann ein Glück sein. In Lies Pauwels’ Aufführung, die keinem Genre zuzuordnen ist und Ungesehenes und Unerhörtes zeigt, ist es so. 13 (Bochumer) Teenager, Girls, Püppchen, Barbies in schön-schnöder Kontradiktion, treten aus dem Schatten junger Mädchenblüte – über die Schwelle – ins Rampenlicht: selbstbewusst, resolut, grazil, offensiv, kaltblütig. Einfach so. Was natürlich nicht stimmt. Nichts ist ‚einfach so’, nichts gewiss, nichts sicher.
Zunächst präsentiert sich das Dutzend nebst Einer als Flugbegleiterinnen-Schwarm. Aber wohin geht die Reise? Zu den rites de passage! In das grundstürzende Initiations-Erlebnis, dass der Wandel im eigenen Innern einen jeden sich selbst zum Rätselwesen macht. „Der Hamiltonkomplex“ ist keine Persönlichkeitsbefragung, auch wenn eine Computerstimme aus dem Off das denken lässt oder auch der Intensiv-Monolog einer Mitspielerin, die das Chaos des Gefühls als Schlagwort-Katalog der Moderne mit ihren Glücks- und Leistungs-Geboten und kulturellen Konsum-Codes aufzählt.
Nein, es ist vielmehr eine Addition mit vielen Unbekannten, die sich zur vorläufigen Ich-Summe mehr kantet als rundet. Die Rechnung geht so: Lust plus Scham, Lust plus Angst, plus Anarchie, plus Zwang, plus Disziplin. Lust plus Schwärmen (in kreischender Fan-Meute), Lust plus Verführung (in einem Pas de deux mit Stefan Gota, dem einzigen Mann auf der Bühne, wie auf einem Balthus-Gemälde), Lust plus Fantasie, plus Ekstase, plus Rage, plus (sexueller) Gewalt, plus Unlust, plus Mutterschaft und Eheversuch.
Die Szenen bleiben zumeist sprachlos, und sie machen uns Zuschauer sprachlos, als müsse man stumm sein angesichts dieses mit Pop-Songs und klassischen Stücken musikalisch erleuchteten Wirklichkeits- und Möglichkeits-Märchens. Es legt der Traumlogik eine (wenngleich gut recherchierte und erarbeitete) emotionale Spur, die wir nicht deuten müssen, um sie zu verstehen. Selten habe ich einen so berührenden, beklemmenden, verstörenden, geheimnisvollen, heiter gelösten, furchtlosen Theaterabend gesehen. Es gibt also doch den Heroismus des Gelingens.
3., 4., 9., 10., 11., 16., 24. November, 1., 2, 7., 8., 14., 15. , 16., 22., 23., 31. Dezember sowie. 3 bis 5. Januar 2019, Schauspielhaus Bochum, Kammerspiele