TEXT: ANDREAS WILINK
Alle waren dagegen. Das Studio, die mächtige Paramount, das lieber etwas Ähnliches gesehen hätte wie »North by Northwest«, der als jüngster von 46 Filmen entstanden war. Die Zensurbehörde. Die Hollywood-Presse, die indigniert auf den kruden Stoff regierte und die den Mann schon halb abgeschrieben hatte und jetzt Regisseure wie Chabrol, Dassin und Clouzot favorisierte. Sogar seine Ehefrau und engste Mitarbeiterin Alma. Alfred Hitchcock aber wollte: »Psycho« drehen. Er setzte Reputation und sein Vermögen aufs Spiel und brachte 800.000 Dollar auf für knappe 30 Tage Drehzeit. Die Romanvorlage, wie »Kaltblütig« verfasst nach einem tatsächlich begangenen Verbrechen, handelt von einem Serienmörder, von Inzest, Schizophrenie, Transvestitismus und Voyeurismus. Von Letzterem verstand Hitch selbst etwas. »Psycho«, thematisch abonniert auf ein Horror-B-Picture, sollte großes Kino werden und zugleich ein experimenteller Avantgarde-Film in seinem kalten, grausam eleganten Schwarzweiß und mit einer Hauptdarstellerin, die nach nicht einmal der Hälfte der Handlung stirbt. Und wie! – in der berühmten Dusch-Szene zu der schrillen, wie Messer ins Hirn schneidenden Musik von Bernard Herrmann.
Sacha Gervasis Making-of-»Psycho« ist ein Biopic, seinerseits basierend auf einer Buchvorlage, und hat keine großen Ambitionen, außer einfach eine gute Geschichte zu erzählen und die historischen Figuren 1-A zu besetzen. Einen dramaturgischen Trick aber wendet er doch an. Er gibt Hitch, der uns wie in seinen legendären TV-Auftritten entgegentritt, einen (un)sichtbaren Dritten an die Seite: den Original-Killer Ed Gein, der ihm im Traum erscheint, in Fantasie-Dialogen begegnet wie Bogart einst Woody Allen und das Bindeglied zwischen Leben und Werk des Suspense-Meisters herstellt. Denn Hitchcock musste in Norman Bates (Anthony Perkins – hier in stupender Ähnlichkeit: James D’Arcy), dem Muttersöhnchen und Peeping Tom mit seinen gestörten Beziehungen zu Frauen, etwas von sich und seiner Problematik erkennen. Seine quälerisch unerlöste Leidenschaft für die glamourösen Blondinen, Grace Kelly, Kim Novak, Tippi Hedren, implantiert er seinen Liebestode umspielenden Filmen. Vera Miles, die Leila in »Psycho«, ließ sich darauf nicht ein. Janet Leigh, die Marion Crane im Film (hier die etwas zu kokette Scarlett Johansson), war geschickter. Im Zentrum aber steht die Ehe und Arbeitsbeziehung von Alfred (Anthony Hopkins) und Alma (Helen Mirren), ihre Eifersucht, die Kränkungen und Besitzansprüche, die Erwartungen, Enttäuschungen und die Erfüllung – im Triumph auf der Leinwand, in der Angstlust des Publikums.
»Hitchcock«; Regie: Sacha Gervasi; Darsteller: Anthony Hopkins, Helen Mirren, Scarlett Johansson, Toni Collette, Jessica Biel, James D’Arcy; USA 2012; 98 Min.; Start: 14. März 2013.