TEXT: ANDREAS WILINK
»Warten auf Godot« ist auch ein Stück über einen Abwesenden. Trotzdem, es hier »Warten auf Gotscheff« zu nennen, wäre falsch. »Das ist nicht der Punkt«, bestimmt Wolfram Koch (Estragon). Es wird kein »Weihespiel für Mitko. Wir machen eine Aufführung. Würden wir sie belasten, täten wir niemand einen Gefallen, uns nicht, dem Regisseur Ivan Panteleev nicht – und Mitko auch nicht.«
Gleichwohl, es gab den gemeinsamen Plan, seit langem. Durchaus in kauzig symbolhafter Besetzung: mit Almut Zilcher (Gotscheffs Ehefrau) als Herr Pozzo und Mitko selbst als geknechtetem Lucky. Es wäre ein ehelicher Racheakt geworden, lachen Finzi und Koch. Und ein Spielangebot. Beckett ist dehnbar, unauslotbar. Denkbar ist alles, was auf seine Spielbarkeit überprüft werden kann. In Ivan Panteleevs Film über Gotscheff mit dem Titel »Homo Ludens« fragt der Jüngere seinen Landsmann nach Regeln fürs Spiel. Gotscheff wiegelt ab, murrt, grummelt, redet dann doch: »Erste Bedingung: Kind bleiben. Eine andere Bedingung ist, dass dein Schwanz steht. Theater ohne Erotik ist kein Theater. Und das reicht schon.«
Gotscheffs Tod kam plötzlich. »Kurz darauf war uns klar, wir machen das«, sagen Koch und Samuel Finzi (Wladimir). Am 20. Oktober 2013 ist Dimiter Gotscheff in Berlin gestorben. In Nordrhein-Westfalen hat die deutsche Karriere des Bulgaren begonnen, der in den sechziger Jahren in der DDR Veterinärmedizin studieren wollte und durch Benno Besson an der Volksbühne am Rosa Luxemburg-Platz vom Theater infiziert wurde. In Köln, Düsseldorf, Bochum hat er entscheidend die achtziger Jahre bis 2000 geprägt. Die Ruhrfestspiele bescheren uns gewissermaßen eine pfingstliche Offenbarung, passend zum Datum des Pentegost-Kirchenfestes.
Probebühne Deutsches Theater Berlin, dem Koproduzenten von Recklinghausen, elf Uhr vormittags. Ein langer Tisch. Ein Dutzend Personen sucht einen Autor. Hinter ihnen ein hölzernes Bühnenpodest mit einem tiefen Trichter (Bühne Mark Lammert). Kein Baum. Nur ein Schweinwerfer. Die Gruppe knabbert an Rhythmus-Fragen…
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»Warten auf Godot«: Regie: Ivan Panteleev; Darsteller: Samuel Finzi, Wolfram Koch, Andreas Döhler, Christian Grashof; Premiere bei den Ruhrfestspielen: 5. Juni 2014, Vorstellungen: 6. bis 9. Juni; www.ruhrfestspiele.de + www.deutschestheater.de