TEXT: STEFANIE STADEL
Die gute Laune ist ihm ins Gesicht geschrieben. Das erste, was Stephen Prina an diesem Morgen im Kölnischen Kunstverein gefreut hat, war die Baustelle hinter dem Haus. Arbeiter, durchwühlte Erde, lärmende Motoren. Mit Blick durch die bodentiefe Fensterfront sieht es fast aus, als könnten die Baufahrzeuge im nächsten Moment bis in den Ausstellungsraum hinein rangieren. Wunderbar findet Prina das. Deshalb habe er den Fotografen beim Pressetermin auch gebeten, den grünen Bagger mit ins Bild zu nehmen, wenn er die Kunstwerke ablichtet.
Warum erzählt Prina das? Wahrscheinlich nicht zuletzt, um klar zu machen, wie substanziell doch die Umgebung für seine Arbeit ist. Was den Bagger betrifft, so würde er, zumindest farblich, einen interessanten Akzent setzten. Denn die neun »Triptychen« im Ausstellungssaal sind in Abstufungen von Rot, Gelb und Blau gehalten. Sicher in Anspielung auf den Colour-Field-Pionier Barnett Newman und seine berühmten Variationen zum Thema »Who’s Afraid of Red, Yellow and Blue«.
Allerdings hat Prina seine Farbfelder nicht auf Leinwand gemalt. Er überzog stattdessen Jalousien mit schwungvollen Pinselstrichen. Sie hängen auch nicht am Nagel vor der Wand, sondern baumeln leicht versetzt mitten im Raum von der Decke fast bis auf den Fußboden. Durchziehen so in langer Reihe die ganze Galerie: Gelb, Blau, Dunkelrot, Gelb, Blau, grünlich Blau, Gelb, zweimal Bordeaux-Violett, Gelb, Lila, Rosarot.
Das flächige Spiel mit den Primärfarben ruft neben New-man auch Piet Mondrian in Erinnerung – und vielleicht nebenbei noch all jene schnöden Alltagsutensilien, die sich mit dessen klassisch-geometrischer Abstraktion schmücken. Krawatten, Briefpapier, Kaffeetassen im Mondrian-Look – Jalousien würden ebenso gut ins Sortiment passen.
Mit ihren komplexen, ironisch unterfütterten Hintergedanken scheinen jene jetzt in Köln installierten Jalousien bezeichnend für das Schaffen des 1954 geborenen Meisters verzwickter Referenzen. Wen hat er nicht schon alles bemüht und in neuen Zusammenhängen aufleben lassen? Theodor W. Adorno, Heinrich Böll, Dan Flavin oder
Joseph Kosuth, Edouard Manet sogar, Andy Warhol und Lawrence Weiner. Verweise, Fußnoten, Anspielungen ohne Ende.
Seit über drei Jahrzehnten ist Prina nunmehr unterwegs – mit dem Instrumentarium der Concept Art im Gepäck auf seiner Tour der Force durch Kunst- und Kulturgeschichte. Geduld, guten Willen, Kondition und ein zuverlässiges Navi braucht, wer ihm auf den verworrenen Wegen folgen will.
Als sich Prina Mitte der 70er Jahre entschloss, Künstler zu werden, schien eben jene Concept Art längst durch. Man habe, erinnert er sich, diese Kunstrichtung damals als eine Art Höhe- oder Endpunkt interpretiert. Was sollte er dem noch hinzufügen? Prinas eigenwillige Antwort holt weit aus zur Rundum-Vernetzung mit Malerei, Musik, Architektur, Literatur. Mit Stilen, Strömungen, Strukturen in Geschichte und Gegenwart. Mit Systemen, Situationen und räumlichen Gegebenheiten – inklusive der Baustelle vor dem Fenster.
Das Ganze geschieht über alle Gattungsgrenzen hinweg. Prina malt, musiziert, komponiert, installiert, inszeniert, rekonstruiert, filmt, performt – und bezeichnet sich bei alledem selbst als »gescheiterten Architekten«.
Mit diesem Portfolio passt er ziemlich gut in die 1950 errichtete, für diverse Kunst-Sparten ausgelegte »Brücke«, seit 2003 Bleibe des Kölnischen Kunstvereins. Bei seinem alle Etagen übergreifenden Auftritt dort kann der Tausendsassa diverse Register ziehen – und dazu noch den Dialog suchen mit der wegweisenden Architektur des Kölner Baumeisters Wilhelm Riphahn. Die rot-gelb-blaue Jalousien-Installation im fast vollständig durchfensterten Ausstellungssaal, der von Riphahn einst als Bibliothek gedacht war, ist in Köln wohl der beste Beleg für Prinas Ehrgeiz, Kunst und Architektur in Beziehung zu bringen.
Den Theatersaal oben im Haus erfüllt Prina mit einem durchdringenden Dröhnen aus dem Dolby-Surround-System – im chromatischen Total erklingen da alle Töne eines Liedes gleichzeitig. Alle paar Tage lässt der Künstler dazu junge Musiker von der Kölner Hochschule aufspielen. Auf tragbaren Instrumenten intonieren sie im Duett die lang gezogene Version eben jenes Stücks. Übrigens eine Komposition des 1982 verstorbenen Architekten Bruce Goff, der wie Prina als Multitalent gelten kann. Goff malte und musizierte, bevor er sich als Autodidakt ganz aufs Bauen verlegte.
Um den Kollegen Goff und sein Leben und seine Talente dreht sich auch der Film, den Prina im Kino des Kunstvereins abspult. In fünf Halbkreisen lässt der Künstler da die Kamera pausenlos durchs Interieur eines eigenartigen Rundbaus wandern – es ist Goffs 1947 entworfenes Ford House in Aurora, Illinois. An Treppen, Zimmerpflanzen, einer weißen Kanne und Regalen voller Büchern streift die Linse vorbei und immer wieder an Wänden aus rohem schwarzen Naturstein, in die Goff hier und da türkisfarbene Glasklumpen eingefügt hat. Mitten im eigenartigen Ambiente, durchsetzt mit Bezügen zum Jugendstil wie zur Moderne, erscheinen Musiker. Sie spielen eine Komposition, die Prina aus Fragmenten von Goffs musikalischen Manuskripten rekonstruiert hat. Gleichsam der Soundtrack zum filmischen Hausrundgang. Gegen Ende kommt auch Prina selbst ins Spiel, als Sänger trägt er Auszüge aus Briefen vor, die Goff von seinem Liebhaber erhielt.
Allerhand kommt da zusammen in nur 27 Minuten: Film-Experiment, Konzert-Aufzeichnung, Architektur-Doku, poetische Potpourri zu Leben und Lieben des Bruce Goff. Im Ergebnis eine Kombi mit durchaus einnehmenden Qualitäten.
Wie hier so sind es immer wieder Übersetzungsprozesse, die Prina interessieren: Künstlerische Motive und Ideen, philosophische Theorien oder biografische Versatzstücke werden in neue Zusammenhänge transportiert und gewinnen dabei einen anderen, oft überraschenden Charakter. Egal ob es sich um die Zeilen an den Geliebten handelt oder um Farbfelder in Blau, Rot und Gelb. Eine Taktik, die gern dem Zufall Platz einräumt. Auch wenn er sich nur in Gestalt eines grünen Baggers vor dem Fenster zu erkennen gibt.
Kölnischer Kunstverein; Bis 24. Juli 2011; Tel.: 0221/217021; www.koelnischerkunstverein.de. Termine der Konzert-Performances auf der Homepage des Kölnischen Kunstvereins