TEXT: ANDREAS WILINK
Täuschen wir uns oder stehen die neun Buchstaben des Hollywood-Schriftzugs etwas schief in den Hügeln oberhalb von Los Angeles? Die erste Einstellung von »7 Psychos« hat das legendäre Motiv im Blick und verweist damit schon auf das, was dieser Film vorhat: Spiel im Spiel und Spiegelung zu sein, bevor die Kamera weiter auf zwei Männer schwenkt. Deren Dialog reißt gleich den Spalt zwischen Fiktion und Realität auf, der sich während der 110 Minuten nicht mehr schließen wird. Der eine fragt den anderen, ob der Gangster John Dillinger durch eine Kugel ins Auge getötet worden sei. Nein, sagt der andere, das sei Mo Green gewesen, der Casino-Betreiber aus Las Vegas in Coppolas »Der Pate«. Viel Zeit zum Plaudern haben die beiden Killer, die auf ihr Opfer warten, nicht mehr – es erwischt sie. Am Tatort zurück bleiben zwei Spielkarten: Karo-Bube.
»7 Psychos« schert sich nicht um Genre-Kategorien, mischt Splatter und Thriller, cineastische Hommage und gewitzte Selbstreflexion, Buddie-Movie und Mordsspaß und lässt die Gaststars Michael Pitt und Harry Dean Stanton minutenweise auftreten. Hauptfigur ist ein dem Alkohol verfallener Drehbuchautor. Marty (Colin Farrell) besitzt zu wenig Fantasie, um seine Stoff-Idee über sieben Psycho-Killer zu entwickeln. Also hilft ihm Freund Billy (Sam Rockwell) auf die Sprünge und liefert ihm Material. Irre Geschichten über Freaks: den anfänglichen maskierten Spielkarten-Mörder; einen Quäker, der den Mord an seiner Tochter rächt, indem er den Täter wie ein Schatten verfolgt – wenn nötig bis in die Hölle; einen ehemaligen Vietcong, der seine Familie in My Lai verloren hat und nun in den USA die schuldigen »Charlies« sucht; und den knurrigen Zachariah (Tom Waits), der mit einer farbigen Kumpanin sogar den legendären Zodiac-Killer zur Strecke brachte. Und dann ist da noch – neben den handlungsüblichen Frauen – der Hunde-Kidnapper Hans (absolut großartig: Christopher Walken), dem dummer-weise auch das Shih Tzu-Schoßtier Bonny des Mafioso Costello (Woody Harrelson) in die Fänge geriet.
Martin McDonagh (»Brügge sehen … und sterben?«) erweist sich in seinem krude poetischen, raffiniert konstruierten, mehrfach ineinander verschachtelten Rätsel als dritter Regie-Bruder der Coens. Er zapft das Reservoir der Träume und Albträume des Kinos an und quirlt den blutroten Ausfluss zum trivial-mythologischen Cocktail auf.
»7 Psychos«; Regie: Martin McDonagh; Darsteller: Colin Farrell, Sam Rockwell, Christopher Walken, Woody Harrelson, Tom Waits, Abbie Cornish, Olga Kurylenko; 110 Min.; UK/USA 2012; Start: 6. Dezember 2012.