TEXT: ANDREAS WILINK
In der von Rob Epstein & Jeffrey Friedman gedrehten erhellenden Dokumentation über Hollywoods Traumfabrik unter dem Aspekt versteckter schwul-lesbischer Codes, »The Celluloid Closet«, wird auch das Wiedersehen von »Ben Hur« Charlton Heston und Stephen Boyd als Messala analysiert, das sich eben noch ganz anders dechriffieren und nicht nur als arglose Jugendfreundschaft lesen lässt. Die Szene spielt in »Parada« eine wichtige Rolle. Vor einigen Jahren in Belgrad: Eine Schwulengruppe unter Führung von Mirko (Goran Jevtic), der als Theaterregisseur Berufsverbot erhielt und deshalb schwülstige Hochzeiten ausrichtet, plant einen Gay-Pride-Umzug. Die Behörden schalten auf stur und lassen die Demonstranten auflaufen, während sich in rechtsradikal nationalistischen und christlich fundamentalistischen Kreisen brutaler Widerstand formiert. Mitten in Europa dürfen Horden ungestraft Parolen wie »Tod den Schwuchteln« (»Peder« in der Landessprache) skandieren.
Weil die resolute Pearl (Hristina Popovi) Hochzeit halten will und ihr Limun seine Braut bei Laune halten muss, willigt er ein, eine Schutztruppe zu stellen. Limun (Nikola Kojo), ehemaliger Militär im Bürgerkrieg mit beträchtlicher krimineller Energie, viel schlechtem Geschmack und Macho-Allüren, leitet mittlerweile einen Security Service. Mirko und sein Lebensgefährte Radmilo (Milos Samolov), ein sanfter dicker Tierarzt, sehen in ihm so etwas wie den Leibhaftigen. Für Limun wiederum sind die rosa Jungs ein Unding. Limun und Radmilo machen sich dennoch gemeinsam auf den Weg, um Unterstützung zu rekrutieren. In Kroatien, Bosnien und im Kosovo finden frühere Todfeinde zu neuer Koalition. Wer bei dem Team an »Die glorreichen Sieben« denkt, die gegen eine Überzahl zu Felde ziehen, liegt nicht falsch.
Stoff für eine Komödie? Ja und Nein. Das Kontrastprogramm bietet sich für Witze an, die manchmal Camp und manchmal platt sind. Aber am Ende liegt auch jemand in seinem Blut – und mit einem Zeitsprung kommt der Film ein Jahr weiter: 2010, wenn die erste große Gay-Pride-Parade in Serbiens Hauptstadt stattfindet, bewacht von Tausenden Polizisten, die den Mob in Schach halten. Es mag etwas hoch gegriffen sein, aber »Parada« ist als Manifest des Aufbruchs, bisweilen ungelenk und dramaturgisch unproportional durchgeführt, vergleichbar dem Neubeginn von Spaniens Kino nach dem Franco-Regime. Regisseur Srdjan Dragojevic mag kein Almodóvar sein, aber Übermut, emanzipatorischen Appeal und Stilwillen hat er auch.
»Parada«; Regie Srdjan Dragojevic; Darsteller Nikola Kojo, Milos Samolov, Hristina Popovi, Goran Jevtic, Goran Navojec; Serbien/Kroatien/Mazedonien/Slowenien 2012; 115 Min.; Start: 13. September 2012.