TEXT: VOLKER K. BELGHAUS
Der Leser ist schon öfter mit Cees Nooteboom gereist, in Reportagebänden wie »Nootebooms Hotel«, oder aber in seinem Roman »Die folgende Geschichte«, in dem der Erzähler in Lissabon erwacht, obwohl er tags zuvor in Amsterdam eingeschlafen war. Weniger metaphysisch ist das »Schiffstagebuch«, in dem Nooteboom sich von Mauritius und Réunion nach Südafrika, Mexiko und Australien treiben lässt. Er besucht den hohen Norden ebenso wie den tiefsten Süden, wo er auf dem »Traumschiff« MS Deutschland Kap Hoorn Richtung Montevideo umschifft. Illustriert werden die Texte durch Fotos von Simone Sassen.
Nooteboom bleibt sich auch in seinem »Schiffstagebuch« treu, gern folgt man ihm über die Weltmeere. Er erschöpft sich nicht in Wegbeschreibungen, sondern schweift ab, streift Geschichtliches und Philosophisches, zitiert Dante, Borges und auch mal einen Songtext von Sting, wenn es der historischen Einordnung hilft. Bisweilen sind die metaphorischen Beschreibungen übertrieben kühn – »das gefräßige Gebiss der verschneiten Kordilleren« – dann aber sitzt der Reisende schon wieder in der schwankenden Lounge der MS Deutschland und schildert, wie eine aserbaidschanische Pianistin mit Chopin-Werken gegen den tosenden Sturm ankämpft, dem auch das Klavier nicht ganz gewachsen ist. Es finden sich Momente von plastischer Intensität, die immer dann gelingen, wenn Nooteboom auf wirklich Fremdartiges trifft wie die Waschungen und Sterberiten am indischen Ganges. Es ist der »Schock des Echten«, eine sinnliche Apokalypse, die auch auf den Leser übergreift. Am Ende steht die Lektion: »Denk daran, wohin du auch kommst auf deiner Reise, du wirst immer auf dem Stuhl eines anderen sitzen.«
Cees Nooteboom, »Schiffstagebuch«. Suhrkamp, Berlin 2011, 300 S., 19,90 Euro. Erscheint am 15. März 2011.
Lesung im Rahmen der »Lit.Cologne« am 17.3.2011 um 20 Uhr im WDR Funkhaus am Wallrafplatz.