TEXT: REGINE MÜLLER
Es war kein Zufall, dass ausgerechnet am internationalen Frauentag an der Dortmunder Oper der »Don Giovanni« zur Premiere kam. Ironie oder schon Sarkasmus? Wahrscheinlich eher Letzteres, denn Hausherr Jens-Daniel Herzog inszeniert Mozarts »Oper aller Opern« als dichtes, mitunter drastisches Kammerspiel, das nicht nur den Titelhelden, sondern sämtliche handelnde Personen schonungslos seziert und das »lieto fine« (das fröhliche Finale) als bittere Zugabe nachreicht.
Herzog gelingt mit dem furiosem Abend nach seinem klugen »Rosenkavalier« das zweite Bonbon des Repertoires in Folge und ein noch größerer Erfolg.
Das Orchester sitzt hinten auf der Bühne, die Sänger bespielen die Vorderbühne, den überbauten Graben und einen langen, schmalen Steg, der weit hinein in den Zuschauerraum ragt. Das ist akustisch stellenweise heikel und glückt nicht immer wackelfrei, aber der Ertrag an Nähe und Unmittelbarkeit, die Chance für die Sänger, blitzschnelles Parlando zu singen, zu fauchen und zu flüstern, wiegt die Nachteile mehr als auf. Während der Ouvertüre nehmen die Sänger auf roten Stühlen Platz und blicken ins Publikum. Der Komtur döst weg, Don Ottavios Smartphone klingelt, Masetto hustet, Don Giovanni legt zuerst Donna Elvira die Hand aufs Knie, bevor er sich auf den Platz neben Donna Anna schlängelt und mit ihr fix zur Sache kommt.
Zwischen allen Protagonisten, die fast durchgehend auf der Szene bleiben, spinnt sich ein dichtes Netz von Beziehungen. Permanent in Interaktion, umschwirren sie das Kraftfeld Don Giovanni. Gerardo Garciacano gibt ihn im eleganten Smoking als todessüchtigen Zyniker, der sogar Don Ottavio mit seiner Verführungskraft betört – und outet. Regie und Musik – Gabriel Feltz nimmt rasante Tempi und baut eigenwillige, aber schlüssige Zäsuren und Rückungen ein – sind perfekt verzahnt. Das Dortmunder Ensemble bietet reine Mozart-Wonne; alles ist musikalisch und szenisch mit einer Präzision erarbeitet, die man selten erlebt und Salzburg und den dortigen »Giovanni« mühelos überbietet!