Düsseldorf wandelt sich. Alles scheint im Fluss zu sein. Davon zeugen Baustellen und Großprojekte. Neu entstandene Wohnquartiere mit schillernden Namen wie »Le Flair«, »Ciel et Terre« und »Pandion« stehen für vage Versprechungen auf Zukunft. Alles wird besser sein in der durch und durch gentrifizierten Landeshauptstadt. Diese Hoffnung greift das Theaterkollektiv per.Vers. in seiner Performance »Düsseldorf Sous-Terrain« (10. bis 17. Juli) auf. Die eigens dafür geschaffene Agentur »Schöner Leben« hat eine Vision für Düsseldorf. Drei Stadtbezirke sollen zu einem neuen Quartier namens »Avaler« verschmelzen. Dass dabei allerdings auch vieles verschwinden wird, deutet schon der französische Name an. Die Zukunft verschluckt Gegenwärtiges und Vergangenes. Wie das neue Areal aussehen könnte, das seine Bewohner gar nicht mehr verlassen müssten, kann man bei einer von »Schöner Leben« organisierten Tour durch die Düsseldorfer Unterstadt sinnenreich erleben.
Die von Christof Seeger-Zurmühlen inszenierte Performance-Tour »Düsseldorf Sous-Terrain« ist eine der vier Produktionen, die das Motto des ASPHALT Festivals direkt aufgreifen. Es geht um »Niemandsländer«, Punkte im Raster der Stadt, die scheinbar keinen Nutzen haben und gerade deshalb besonderen Wert besitzen können. Auf diese städtischen Flecken, die man sonst kaum weiter beachtet, will das von Regisseur Seeger-Zurmühlen und dem Komponisten Bojan Vuletić initiierte und geleitete Festival unseren Blick lenken.
Das ansonsten Periphere soll ins Zentrum der Wahrnehmung rücken, und das nicht nur in Düsseldorf. Die beiden Macher haben sich erstmals Kooperationspartner in Köln und Bonn gesucht, die ihre Arbeiten an allen drei Orten zeigen. Ist das, was wir täglich erleben, tatsächlich die Realität, oder sind wir Gefangene einer Matrix? Diese Frage stellt das Kollektiv Drama Köln in seiner Performance »Weltproben – Eine Versammlung«, die in Köln uraufgeführt wird (11. bis 13. Juli) und dann (15. & 16. Juli) Düsseldorf unter die Lupe nimmt. In vier Gruppen macht sich das Publikum auf den Weg durch die Stadt, die vielleicht nur Fiktion ist, und versucht dabei, hinter den Vorhang der Wirklichkeit zu sehen.
Einen anderen Blick auf die alltägliche Welt wirft die Koproduktion des Festivals mit dem Bonner Theater Marabu. »Und auch so bitterkalt«, Claus Overkamps Adaption von Lara Schützsacks Jugendroman (14. & 15. Juli) stellt uns Lucinda vor, von der es heißt, sie leuchte wie ein Stern. Doch dieser Glanz, der sie von anderen absetzt und dem Alltag enthebt, hat seinen Preis. Lucinda ist magersüchtig, und das bewusst. Nur so glaubt sie, die Kontrolle über sich und die Welt um sich her zu wahren.
Von der Sehnsucht nach Kontrolle erzählen auch die SibylleBerg-Stücke »Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen« (13. Juli) und »Und dann kam Mirna« (14. Juli), deren Uraufführungen Sebastian Nübling am Berliner Maxim Gorki Theater inszeniert hat. Vier junge Frauen in geblümten Kleidern und Schlabberpullovern stürmen und tanzen über die Bühne. Bergs Texte, pointierte, glossierende Abrechnungen mit der Gegenwart, verwandeln sich in fixe Choreografien der Möglichkeiten und Unmöglichkeiten. Während das Quartett im ersten Teil noch den Aufstand probt und seine Unabhängigkeit feiert, müssen die Frauen, inzwischen Mütter geworden, ihren Gegenentwurf von Leben vor den Töchtern rechtfertigen. (SAW)
8. bis 17. Juli 2016; www.asphalt-festival.de