TEXT: GUIDO FISCHER
Diese Besetzung galt im Jazz eigentlich als ausgestorben. Seit den Zeiten von Stan Getz und Bill Evans hatte sich niemand aus der oberen Jazz-Liga mehr für die Kombination Saxofon/Klavier interessiert. Dabei kann man in so einem Duo auch all das machen, wofür man gewöhnlich noch mindestens einen Bass und Schlagzeug braucht. Das Klavier gibt mit markanten Rhythmen den Background fürs Melodische. Dann wieder sorgt das Saxofon mit begleitenden Arabesken für ein Fundament, auf dem der Pianist seiner Phantasie freien Lauf lassen kann.
Wie jetzt Joshua Redman und Brad Mehldau bei ihrer Tournee durch die großen Konzerthäuser zeigen, stehen sie sich abwechselnd zur Seite. Der eine ahnt instinktiv bereits eine Millisekunde zuvor, mit was für Geistesblitzen der jeweils andere die ausgewählten Songs in eine neue Richtung lenkt, ob bei Jazz-Klassikern wie »Oleo« von Sonny Rollins oder bei »Lithium« der legendären Grunge-Band Nirvana.
In diesem musikalischen Spannungsfeld bewegt sich die prominente Partnerschaft, zumal beide Musiker seit jeher der Überzeugung sind, dass sich in Jazz, Rock und Pop ein gemeinsamer vitaler Kern finden lässt. Saxofonist Redman lieferte die Beweise mit Coverversionen von Ornette Coleman, Led Zeppelin und Prince. Pianist Mehldau zieht es dagegen lieber zu John Coltrane und den Brit-Pop-Bands Oasis und Radiohead. Aufs erste mag die musikalische Unbegrenztheit die einzig wesentliche Gemeinsamkeit zwischen den beinahe gleichaltrigen Amerikanern sein.
Joshua Redman kam 1969 in Kalifornien zur Welt; als Sohn des berühmten Hardbop-Saxofonisten Dewey Redman war eine glänzende Jazz-Karriere schon Pflicht. Meldau, geboren 1970, stammt aus Florida und musste sich seinen Weg erarbeiten, absolvierte die Ochsentour durch kleine Jazz-Clubs und heuerte zwischendurch mal als Aushilfsbäcker in einer Pizzeria an. Mit 24 Jahren aber bekam er seinen ersten großen Job. 1994 lernte er Redman jr. kennen, der ihn für sein neues Quartett engagierte. Doch so schnell Mehldau aufstieg, so rasant folgte der Absturz. Wegen übermäßigen Drogenkonsums warf Redman ihn aus der Band. Seitdem ist Mehldau clean. Als Andenken an diese Phase hat der tätowierte Drache überlebt, der sich über seinen Oberarm wild schlängelt.
Übel genommen hat Mehldau seinem damaligen Boss die erzwungene Trennung nicht. Schließlich begann damit seine Laufbahn als Wunderknabe des Jazz-Klaviers. 1995 entwickelte er das »Art of the Trio«-Konzept. Sogleich wurden seinen poetischen Umrundungen der heiligen Jazz-Standards mit denen seiner Kollegen Bill Evans und Keith Jarrett verglichen. In diesen Jahren kam es immer wieder mal zu sporadischen Sessions mit Redman. Brad habe »großen Einfluss« auf ihn ausgeübt, teilte Redman im Vorfeld des aktuellen Duo-Projekts im Interview mit: »Er weiß und fühlt genau, was man in einem bestimmten Augenblick spielen muss.«
Die totgesagte Kombination Saxofon/Klavier beleben sie neu. Jeder auf seine Weise: Redman mit seinem satten, energiereichen Sound, Mehldau auch schon mal romantisch entrückt, zusammen mit einem gemeinsamen Atem.
19. Nov. 2011 Theater Gütersloh; 23. Nov. Tonhalle Düsseldorf; 25. Nov. Konzerthaus Dortmund.