// Über die geplante Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld hat es von Anfang an Streit gegeben, weil sie von Kritikern als Demonstration eines islamischen Machtanspruchs verstanden wurde. In Deutschland lebenden Muslimen den Neubau von Gottes- bzw. Gebetshäusern gänzlich zu verweigern, dafür dürfte es allerdings weder demokratisch noch rechtlich legitimierte Argumente geben. Weshalb sich eine sachliche Debatte nicht um das Ob, sondern um das Wie drehen muss: um die Ausprägung des Islams in Deutschland; aber endlich auch um die Architektur der zeitgenössischen Moschee. Beides ist untrennbar miteinander verbunden, sagt die Architektin Dörte Gatermann, und übt öffentlich Kritik an dem von Paul Böhm vorgelegten Entwurf der Kölner Moschee. Anlass für K.WEST, die Kritikerin und den Kritisierten an einen Tisch zu bitten.
Dörte Gatermann (geb. 1956) hat sich vor allem mit Verwaltungsbauten international einen Namen gemacht (LVR-Hochhaus »KölnTriangle«, Schulministerium Düsseldorf, Stadtwerke Bochum, RömerMuseum Xanten); Paul Böhm (geb. 1959) entstammt einer berühmten deutschen Kirchenbaumeister-Familie und hat selbst Kirchen entworfen, aber auch das Hans-Otto-Theater in Potsdam. Böhm ist Schüler von Richard Meier, während Gatermann bei Böhms Vater Gottfried gelernt hat – und daher zum Gespräch mit Paul Böhm nach 23 Jahren an ihre frühe Wirkungsstätte zurückkam: in das von Böhms Großvater Dominikus entworfene Domizil im Bauhausstil in Köln-Marienburg, in dem Paul Böhm sein Büro hat. //
Gesprächsführung: Ulrich Deuter
K.WEST: Frau Gatermann, Sie kritisieren an dem Entwurf von Paul Böhm für die Köln-Ehrenfelder Moschee, dass er nicht wirklich modern und zukunftsweisend sei, sondern sich rückwärts auf die Türkei beziehe. Der Typus, der alles in allem beibehalten sei, werfe keine Fragen nach den Inhalten auf, für die der Bau gedacht sei.
GATERMANN: Richtig. Aber die Kritik ist nur deshalb lohnend, weil der Entwurf sich auf einem sehr hohen Niveau befindet. Anhand all der anderen Moscheen, die derzeit unreflektiert gebaut werden, auch in Nordrhein-Westfalen, wäre gar keine Auseinandersetzung möglich. Bei denen kräuseln sich einem die Nackenhaare. Mich interessiert weniger der Typus an sich, als die Dialektik von Form und Inhalt. Etwas, was in der unseligen Debatte um die Höhe von Kuppel und Minarett zu kurz gekommen ist. Ich war erstaunt, dass du den Kuppeltypus gewählt hast. Obwohl natürlich in modifizierter Form und in einer sehr starken Architektursprache; du hast die Kuppel geöffnet und ein florales Thema daraus gemacht. Aber doch, es ist der Kuppeltyp. Was ist aber der Inhalt, der genau diesen Ausdruck findet? Wenn man sich die Baugeschichte ansieht, dann stellt man fest, der Kuppelbau ist neben dem Turm der stärkste Ausdruck von Zentriertheit und Machtanspruch.
BÖHM: Das sagst du so! Wenn ich mir die barocken Kirchen angucke, dann sehe ich da nicht die Demonstration eines Machtanspruchs, sondern ich empfinde sie einfach als großartig. Ich gehe gerne hinein, ich habe ein erhabenes Gefühl, wenn ich sie von innen und außen angucke.
GATERMANN: Aber das erhabene Gefühl steht doch in Beziehung zur Selbstdarstellung des Baus. Und die ist eine Demonstration des Glaubens, der Kirche. Das müssen wir bei einer Moschee genauso sehen, mir ist nämlich völlig egal, ob wir diese Fragen der Machtdarstellung anhand einer Moschee oder einer evangelischen und katholischen Kirche oder anhand einer Synagoge diskutieren.
BÖHM: Oder einer Tabakfabrik?
GATERMANN: Ganz genau.
BÖHM: Aber da besteht eben ein Unterschied!
Paul Böhm und Dörte Gatermann. Foto: K.WEST
K.WEST: Sie meinen die Zigarettenfabrik Yenidze in Dresden von Anfang des 20. Jahrhunderts, die die Form einer Moschee besitzt?
BÖHM: Zum Beispiel. Das gibt es doch längst, dass eine Kuppel profanen Inhalten dient.
GATERMANN: Das sind zwei unterschiedliche Dinge: eine Kuppel bei profanen und eine Kuppel bei sakralen Bauten. Wir müssen unbedingt diskutieren, welchen Machtanspruch Glaubensgemeinschaften in unserer heutigen Gesellschaft architektonisch formulieren wollen und dürfen. Es wäre ja völlig unsinnig, die Benutzung der Kuppel als architektonischer Form generell zu verbieten. Es ist aber die Frage, was macht man daraus. Und Norman Foster hat, finde ich, etwas Geniales daraus gemacht, indem er es der Bevölkerung ermöglicht, in der doppelschaligen Kuppel über dem Berliner Reichstag herumzugehen. D. h. der Machtanspruch, den die Kuppel symbolisiert, wird konterkariert.
BÖHM: Das wäre für einen Gebetsraum nicht richtig, weil ein Gebetsraum etwas Bergendes besitzen muss. Eine Kuppel bildet einfach eine geniale Form, Geborgenheit darzustellen, sie wirkt sozusagen wie ein Iglu. Wogegen ich mich wehre, ist, so einen Kuppelraum als Zeichen oder Ausdruck eines Machtanspruches hinzustellen. Und ich bin davon überzeugt, dass tut mein Entwurf auch nicht.
GATERMANN: Da sind wir unterschiedlicher Meinung. Wirklich!
BÖHM: Was er sehr wohl tut, und tun darf, ist Erhabenheit zum Ausdruck bringen. Und vielleicht auch einen gewissen Stolz derer, die sich dieses Haus bauen. Stolz, dass sie in unserer Gesellschaft angekommen sind, dass sie es zu etwas gebracht haben und mit ihrer Religion Teil unserer Gesellschaft sind. Die reißen sich ja ein Bein dafür aus, dass sie dieses Haus kriegen. Prinzipiell will ich Räume bauen, die eindeutig einer Funktion zugeordnet sind und dies auch nach außen darstellen. Hier wollte ich einen Raum bauen für Konzentration, Meditation, Gebet, der deshalb eine bestimmte innere Raumqualität haben muss, womit er sich von anderen Räumen unterscheidet. Es hat bis in die 70er und 80er Jahre hinein eine Entwicklung in der christlichen Kirchenbaukunst gegeben, sich in der Neutralität der Städte architektonisch zu verstecken, Kirchen zu bauen, die auch Turnhallen sein könnten. Diese Entmystifizierung des Kirchenraums finde ich ganz schlecht. Mir ist wichtig, dass sich ein Sakralraum auch nach außen als solcher darstellt.
K.WEST: Würden Sie dem zustimmen, Frau Gatermann?
GATERMANN: Eben nicht.
BÖHM: Ich vermute, dass ist unser Hauptdissens.
GATERMANN: Ich glaube, dass ein Sakralbau heute, welcher Konfession auch immer, gut daran tut, so offen wie möglich zu sein für alle. Vielleicht ist es auch nicht ohne Bedeutung, dass wir beide als Mann und als Frau darüber sprechen. Ich reagiere sehr sensibel auf das Thema Ausgeschlossensein. Und das ist sofort auf dem Tisch, wenn man Moscheen baut, aber auch Synagogen und katholische Kirchen.
BÖHM: Aber symbolisiert dieser Entwurf denn Ausgeschlossensein? Einen Gebetsraum schaffen, das ist ja schon auch ein bisschen wie die Quadratur des Kreises. Einerseits möchte man einen Raum schaffen, der eine gewisse Introvertiertheit bietet. Und andererseits möchte man den Eindruck vermeiden, dass irgendjemand ausgeschlossen wird. Im Gegenteil, unsere Sakralbauten, ob die Katholische Kirche in Köln-Vingst oder nun die Moschee, wollen in besonderem Maß einladend sein.
GATERMANN: Wir haben ja als Architekten die Möglichkeit, mit unseren Bauherren über diese Themen immer wieder zu sprechen. Und die DITIB ist mit diesem Projekt im Vergleich zu dem, was sie sonst so baut, unglaublich weit gegangen. Dennoch habe ich, bei aller Faszination der Architektur und großen Qualität, die du lieferst …
BÖHM: Das freut mich!
GATERMANN: Nein wirklich! Habe ich trotzdem ein etwas ungutes Gefühl, und das hat mit dem Inhalt zu tun. Was wird mit deinem Entwurf nach außen manifestiert? Das ist für mich genau der Punkt.
BÖHM: Ja, was wird denn manifestiert?
GATERMANN: Manifestiert wird ein Inhalt, der für mich zu wenig Fragen stellen lässt. Er bezieht sich auf die historische Kuppelmoschee und damit auf die alten tradierten Inhalte. Ich wollte schon immer von dir wissen, was du selbst davon hältst, dass jetzt die Männer unten beten und die Frauen irgendwohin verbannt sind. (Der Entwurf von Paul Böhm sieht eine Galerie für die Frauen vor, während die Männer unten beten; d. Red.)
BÖHM: Die Frauen werden in unserem Entwurf nicht irgendwohin verbannt. Aber Dörte, wir machen doch Architektur, keine Politik, wenn wir auch Teil unserer Gesellschaft und verantwortlich sind für das, was wir machen. Wir können doch nicht den Bauherrn verdrehen …
GATERMANN: Aber wir diskutieren doch viel mit ihm!
BÖHM: Ja, allerdings. Bis ich kurz vor der Kündigung war. Ich habe Abmahnungen gekriegt. Und ich habe wirklich zeitweise überlegt, ob ich die Arbeit niederlege. Aber dann sind wir inhaltlich immer wieder so weit gekommen, dass ich wusste, ich baue ein Haus, das eine Entwicklung ermöglicht. Zum Beispiel dass irgendwann Männer und Frauen gemeinsam auf einer Ebene beten können. Ohne bauliche Änderung. Schon dass alle in einem Raum beten werden, ist eine Entwicklung gegenüber dem Jetztzustand; außerdem haben wir erreicht, dass Männer und Frauen den gleichen Eingang benutzen. Ich glaube, dass auch der Bauherr viel gelernt hat in diesem Prozess. Was nicht so klingen sollte, als würde ich den Bauherrn entmündigen. Allein schon deshalb ist die ganze Sache gut. Auch im Kirchenbau haben sich die Veränderungen immer nur in kleinen Schritten vollzogen.
GATERMANN: Na ja, dein Großvater Dominikus und in jedem Fall dein Vater mit der Wallfahrtskirche in Neviges, die haben schon ziemlich große Schritte gemacht im Kirchenbau!
K.WEST: Ein Aspekt ist bisher zu kurz gekommen, nämlich die Verankerung des Bautyps Kuppel plus Minarett, den auch Paul Böhms Entwurf deutlich erkennen lässt, in der traditionellen, byzantinisch-osmanisch begründeten Moscheebaukunst der Türkei. Angeblich war in der Ausschreibung gar keine Kuppel vorgeschrieben.
BÖHM: Doch. Der Bauherr wollte eine Kuppel und zwei Minarette. In dieser Anfangsphase haben wir viel bei uns im Haus diskutiert, und wir haben, ehrlich gesagt, Spaß daran gefunden, auch mal eine Kuppel zu bauen. An der Stelle war ich als Architekt vielleicht irgendwo auch etwas schwach!
GATERMANN: Und das passte auch gut mit der DITIB überein, denn die wollten eigentlich viel lieber einen historisierenden Bau haben, sind mehr oder minder zum Wettbewerb genötigt worden und waren auch froh, dass sie ihre Kuppel wiederfanden.
BÖHM: Oberflächlich betrachtet hast du vielleicht recht. Aber ich glaube, sie sind jetzt auch recht begeistert.
GATERMANN: Ich will ja deinen Entwurf nicht grundsätzlich kritisieren, eben weil er Dinge ermöglicht und nicht verhindert. Aber eines muss ich doch sagen: Nach außen hin stellt er das bekannte Prinzip Moschee dar, auch wenn es modifiziert ist mit den Schalen, die die Kuppel aufbrechen. Ein Prinzip, das einen bisher anders gelebten Islam symbolisiert. Das würde eine Moschee ohne Kuppel weit weniger tun. Ein Zelttyp, ein Hallentyp zum Beispiel.
BÖHM: Ich will auch nicht sagen, dass jede Moschee eine Kuppel haben soll. Wichtig ist mir: Ein solcher Raum soll sich darstellen, soll sichtbar sein. Das ist der Reichtum unserer Städte. Rathaus, Kirche, Konzerthaus, alle sollen sich präsentieren. Vielleicht auch potente Wirtschaftsunternehmen, die sich ein Hochhaus bauen. Eines der größten Armutszeugnisse, die Köln sich geleistet hat, ist, dass sie die Philharmonie in die Erde gegraben haben.
GATERMANN: Einen mächtigen Ausdruck annehmen, das sollten vor allem die Gebäude, die unsere Gesellschaft allgemeingültig widerspiegeln. Bei Bauten, die wirtschaftliche Macht oder auch religiöse ausdrücken, sollten wir den Symbolgehalt sehr genau abwägen, also bei Synagoge, Kirche und Moschee.
BÖHM: Ich glaube eben, dass Sakralräumen dieser Stellenwert zusteht, egal welcher Konfession er ist. Es kommt doch vielmehr darauf an, ob ein monumentaler Bau die Menschen niederdrückt oder erhebt. Hier würde nun die Diskussion über Sinn oder Bedeutung von Religion und Atheismus beginnen. Da sind wir, glaube ich, grundsätzlich unterschiedlicher Meinung.
K.WEST: Gab es Vorgaben hinsichtlich der Wirkung, der Repräsentanz?
BÖHM: Nein, nicht in diesem Sinne.
GATERMANN: Aber natürlich! Es gab die Größenvorgaben, und wenn man eine Kuppel und zwei Minarette will, dann ist das eine solche Vorgabe. Wie ist denn deine Haltung zu den Minaretten? Für mich die reine Symbolik.
BÖHM: Für mich auch!
GATERMANN: Hättest du sie gebaut, wenn sie nicht verlangt worden wären?
BÖHM: Also – – ich glaube ja.
GATERMANN: Damit man nicht denkt, dass die Moschee eine Philharmonie ist.
BÖHM: Ein bisschen ist das schon so. Das ist ja das, worüber wir die ganze Zeit diskutiert haben: Ich möchte zeigen, was da ist. Zeigen, dass da eine Moschee ist. Damit mache ich den Bau transparent.
GATERMANN: Deswegen würde ich keine Minarette bauen. Ich stelle auch den Kirchturm in Frage.
BÖHM: Und ich finde es richtig, dass man wieder Kirchtürme baut. Für mich sind sie auch keine Symbole der Macht, sondern Zeichen der Nutzung, wie aufgestellte Schilder.
K.WEST: In den USA gibt es spätestens seit 1995 eine architekturtheoretische Debatte über die Gestalt der Moschee. Hat es auf Fachtagungen von Architekten in Deutschland je in den letzten Jahren solche Debatten gegeben?
BÖHM: Das hat jetzt angefangen. Ich will nicht sagen, mit unserem Entwurf. Aber es liegt in der Luft.
GATERMANN: Ich habe vorher nichts dergleichen mitbekommen. Über Synagogen ja, über Moscheen nicht.