INTERVIEW: ULRICH DEUTER
Die WestLB, 1969 durch Fusion der rheinischen und der westfälischen Girozentrale entstanden, 2002 unter Ausgliederung der NRW.Bank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, gehört mehrheitlich den beiden Sparkassenverbänden Rheinland und Westfalen, direkt und indirekt hält das Land 38 Prozent, hat aber angekündigt, seine Anteile zu verkaufen. Vorstandsvorsitzender ist seit 2004 Dr. Thomas R. Fischer. Das kulturelle und soziale Engagement der WestLB ist vielfältig, es reicht von der Bildenden Kunst über Theater und Musik bis zu Wissenschaft, Bildung und Sport; ein Schwerpunkt liegt auf der Nachwuchsförderung. In Münster ist die WestLB an der Stiftung Graphik Museum Pablo Picasso beteiligt. K.WEST sprach mit dem Kunst- und Kulturbeauftragten der WestLB, Dr. Jochen Link, sowie mit dem Pressesprecher der Bank, Armin Kloß, darüber, warum auch eine Bank ihr Geld manchmal verschenkt.
K.WEST: Die WestLB ist Großsponsor der Ausstellung französischer Meisterwerke des 19. Jahrhunderts aus der Sammlung des Metropolitan Museum of Art New York. Diese Ausstellung beginnt im Juni, aber nicht etwa in der Düsseldorfer K 20, sondern in der Neuen Nationalgalerie in Berlin. Die WestLB hat ihren Sitz in Düsseldorf und Münster und ist ökonomisch und historisch eng mit dem Land NRW verbunden. Sich in Berlin zu engagieren, könnten viele als »Landesverrat« ansehen. Was sagen Sie dagegen?
KLOSS: Unser Heimatmarkt ist Nordrhein-Westfalen. Hier, in unserem direkten Umfeld, sind wir in Sachen Kunst- und Kulturförderung naturgemäß sehr aktiv. Darüber hinaus haben wir den Anspruch, internationale Geschäftsbank für ganz Deutschland zu sein. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass wir uns auch in Berlin engagieren. Zumal wir von Berlin aus wichtige Teile unseres Geschäfts mit Firmen- und öffentlichen Kunden in Nord- und Ostdeutschland steuern sowie zwei unserer Konzerntöchter – die readybank und die Weberbank – hier ihren Sitz haben. Das ist der Grund, warum es durchaus sinnvoll ist, dass die WestLB die Ausstellung »Die schönsten Franzosen kommen aus New York« sponsert, die mindestens deutschlandweit für Aufmerksamkeit sorgen wird.
LINK: Natürlich engagiert sich die WestLB mit Großveranstaltungen auch in NRW, z.B. mit der großen Picasso-Ausstellung, die derzeit in der K 20 zu sehen ist. Ich möchte aber nicht den Eindruck erwecken, wir förderten nur Blockbuster-Ausstellungen. Die sind wichtig, um viele Menschen für Kunst und Kultur zu begeistern. Sie sind aber nur ein Teilaspekt unseres Engagements.
K.WEST: Verglichen mit e.on oder RAG hört man von der WestLB – Bilanzsumme immerhin fast 300 Mrd. Euro – in Sachen Kulturarbeit relativ wenig. In welcher Disziplin ist Ihr Haus da so zurückhaltend: In Sachen Selbstlob oder in Sachen Engagement?
LINK: Was die Qualität und den Inhalt unserer Fördermaßnahmen betrifft, müssen wir uns in keiner Weise verstecken. Allerdings steht bei uns klar das Engagement im Vordergrund, nicht die »Werbung« damit.
K.WEST: Konkret: Was sponsern und fördern Sie in NRW?
LINK: Die Überschriften unserer Förderleitlinien lauten: Innovation, internationaler Austausch, Nachhaltigkeit und partnerschaftliches Engagement. Außerdem geht es uns um den Einsatz für unseren Heimatmarkt NRW, für Berlin und die anderen Regionen, in denen wir geschäftlich tätig sind. Aus diesen Leitlinien sind Förderschwerpunkte abgeleitet, die auf folgenden Feldern wirksam werden: Kultur, Bildung, Soziales, Wissenschaft, Sport und Umwelt.
K.WEST: Nehmen wir mal die Bildende Kunst…
LINK: Hier ist eines unserer Anliegen der Austausch. Wir bringen internationale Kultur nach Deutschland und deutsche Kunst in die Welt. Das passt zu unserem Haus, wir sind an den wichtigen Finanzmärkten der Welt aufgestellt. Gern unterstützen wir erste Ausstellungen internationaler Künstler in Nordrhein-Westfalen, das war z.B. bei Tacita Dean und Guillaume Leblon im Düsseldorfer Kunstverein für die Rheinlande und Westfalen der Fall. Oder bei Catherine Sullivan im Neuen Aachener Kunstverein. John Baldessari, der derzeit in Bonn zu sehen ist, ist zwar ein schon älterer Künstler, aber hierzulande noch immer zu wenig bekannt. Dessen Ausstellung »Music« unterstützen wir auch. Daran sehen Sie schon: Uns geht es nicht nur um Blockbuster. Umgekehrt bringen wir wichtige Künstler insbesondere aus NRW in die Welt, an Standorte der WestLB. Persönlichkeiten wie Pina Bausch oder Andreas Gursky im Ausland zu präsentieren, das schafft eine Verbindung zwischen angesehener Kunst und »North Rhine-Westphalia«, mit dem viele sonst wenig anfangen können. Die große Münchener Gursky-Schau geht, mit unserer Hilfe, in diesen Wochen nach Istanbul. So werben wir für den Kulturstandort NRW.
K.WEST: Und für die WestLB!
LINK: Sicher. Aber so einfach ist das nicht immer. Z.B. bei der Katalogförderung: Wir unterstützen erste Ausstellungskataloge von Nachwuchskünstlern mit NRW-Bezug. Oder bei der Restaurierungsförderung: Wir engagieren uns finanziell bei Erhalt und Wiederherstellung von bedeutenden Kunstschätzen aus nordrhein-westfälischen Museumssammlungen, im letzten Jahr waren das Objekte aus der Kunsthalle Bielefeld, dem Osthaus Museum in Dortmund, dem Siegerland-, dem Rautenstrauch-Joest-, dem Hetjens- und dem Lehmbruck-Museum. Erhalt des Kulturerbes, das ist etwas, was normalerweise unter den Tisch gekehrt wird.
K.WEST: Die Förderung der Archive ist ein ganz besonderes Anliegen des Kulturstaatssekretärs, kommt die Anregung daher?
LINK: Ich bin seit sechs Jahren im Haus und habe mir die Restaurierungsförderung von Anfang an auf meine Wunschliste gesetzt.
K.WEST: Sie sponsern auch die RuhrTriennale, das Klavierfestival Ruhr und die Ruhrfestspiele, tun aber auch für eine Großbank etwas sehr Seltsames: Sie unterstützen Sprachförderung bei Migrantenkindern…
KLOSS: Das finden wir gar nicht seltsam. Wir leisten einen Beitrag, unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu gestalten. Deshalb fördern wir Nachwuchs und Talente. Im Sport, in der Kunst – und auch in der Bildung. Darunter fällt unser Engagement im Bereich Musical, wo wir mit allen deutschsprachigen Hochschulen zusammenarbeiten, um den Musical-Nachwuchs noch weiter zu qualifizieren. Dazu gehört der in Duisburg geborene Geiger Frank Peter Zimmermann, den wir seit Beginn seiner Karriere, seit nunmehr 15 Jahren, begleiten – die WestLB hat ihm eine Stradivari zur Verfügung gestellt und initiiert Konzerte des Künstlers an nationalen und internationalen Standorten der Bank. Gleichzeitig stellen wir zwei hochwertige Musikinstrumente jungen Nachwuchskünstlern zur Verfügung. Und zum Gesamtpaket gehört eben auch unser Engagement in einem Projekt der allerfrühesten Bildung: »Mitsprache NRW«.
LINK: Bei diesem Vorhaben unterstützen wir seit 2006 für die Dauer von drei Jahren insgesamt 20 Grundschulen aus NRW finanziell bei innovativen Sprachförderkonzepten für Kinder mit Migrationshintergrund. Die 20 wurden ausgewählt im Rahmen eines Wettbewerbs aller nordrhein-westfälischen Grundschulen. Wir führen die Maßnahme mit Unterstützung des Landes durch. Dabei wollen wir dort ansetzen, wo Schulen noch in der Lage sind, Grundlagen für einen erfolgreichen Bildungsweg zu legen.
K.WEST: Seit wann existieren denn all Ihre Fördermaßnahmen?
LINK: Unsere Vorgängerinstitute waren schon immer aktiv. Seit der Aufteilung in NRW. Bank und WestLB AG 2002 haben wir den Anspruch, ein stärker fokussiertes Förderprogramm zu fahren. Uns darüber klar zu werden: Was passt zu uns, was nicht. Denn wie jedes größere Unternehmen sind wir zahlreichen Begehrlichkeiten und Wünschen ausgesetzt, aber unser Budget ist begrenzt…
K.WEST: Wie hoch ist es denn?
LINK: Wir veröffentlichen diese Zahl nicht, denn wir glauben, dass es in erster Linie um die Qualität der Konzepte geht, nicht um ihre Kosten. Was man aber z.B. sagen kann ist, dass »Mitsprache NRW« über drei Jahre hinweg ein Volumen von 500.000 Euro besitzt. Das Projekt wird gemeinsam von der WestLB und von der WestLB-Stiftung Zukunft NRW durchgeführt.
K.WEST: Und wie hoch ist das Stiftungsvermögen?
LINK: 15,3 Mio. Euro.
K.WEST: Laufen alle kulturellen Aktivitäten über die Stiftung?
KLOSS: Nein: Der Hauptfokus der Stiftung liegt auf den Themen Bildung, Wissenschaft und Umwelt. Manchmal führen wir jedoch auch Projekte gemeinsam durch, wie zum Beispiel bei der Migrantenförderung.
K.WEST: Wie kommen Geld und Kunst zusammen? Normalerweise sind die beiden Welten ziemlich getrennt.
LINK: Je bekannter unsere Fördermaßnahmen bei den Kulturinstituten werden, desto mehr Anfragen erhalten wir aus dieser Richtung. Umgekehrt treten wir z.B. auch an Museen heran, wenn wir von einem interessanten und zu uns passenden Förderprojekt erfahren. Abgesehen davon bin ich Kunsthistoriker und habe natürlich zahlreiche Kontakte. Das sind kommunizierende Röhren. Ich bin ein Mittler.
K.WEST: Daher ihr Engagement bei der Kunstrestaurierung?
LINK: Die Triebfeder dahinter ist sicherlich die erkennbare Dringlichkeit. Ein anderer Aspekt ist: Wir sind Partner der Sparkassen. Und die Sparkassen sind überall vor Ort tätig. Mit den Sparkassen kooperieren wir bei der Restaurierungsförderung und gehen damit ganz bewusst in die Regionen.
K.WEST: Wirtschaftsunternehmen sind dafür da, Geld zu verdienen, ohne die auch Kunst nicht auskommen kann. Was sagt denn Ihr Chef, wenn Sie mit so abenteuerlichen Wünschen wie Restaurierungsförderung ankommen?
LINK: Gesellschaftliches Engagement und betriebswirtschaftliche Interessen sind kein Widerspruch. Ein Unternehmen steht heute im Spannungsfeld der – gerechtfertigten – Ansprüche seiner Kunden und Zielkunden, seiner Aktionäre, der Mitarbeiter sowie der Öffentlichkeit und der Analysten. Es muss sich unterscheiden von anderen Unternehmen, klare Konturen haben. Das funktioniert nur, wenn es »für etwas steht«, oder: für etwas einsteht. Kurz: Ein Unternehmen muss sich seiner Verantwortung in der Gesellschaft und für sie bewusst sein. Es muss daraus Aktivitäten ableiten, die es unverwechselbar machen, ihm einen eigenen Charakter geben. Deshalb legen wir soviel Wert darauf, die Dinge zu fördern, die zu uns passen. Und deshalb hat der Gesamtvorstand unser Förderkonzept beschlossen. Ein Unternehmen, das keine gesellschaftliche Verantwortung übernimmt, kann nicht dauerhaft am Markt bestehen. Das gilt besonders für Banken, denn deren Kapital ist nicht das Geld, sondern das Vertrauen, das sie genießen.
K.WEST: Stichwort Vertrauen: Das Image der WestLB war in den vergangenen Jahren alles andere als strahlend: politische Affären, ökonomische Desaster. Zuletzt die Spekulationen mit VW-Aktien…
KLOSS: Wir stehen in der Tat gerade in der Kritik, da Einzelne Unregelmäßigkeiten zu verantworten haben, die der Integrität der Bank schaden. Ich versichere Ihnen, dass wir alles tun, den Sachverhalt so rasch wie möglich aufzuklären. Dazu haben wir die BaFin sowie den Staatsanwalt eingeschaltet und eine eigene Untersuchungskommission gegründet.
K.WEST: Dennoch: Was tun Sie dagegen, dass Ihr verstärktes kulturelles und soziales Engagement als Imagepolitur verstanden wird?
KLOSS: Wir glauben, dass es gerade jetzt umso wichtiger ist, das gesellschaftliche Engagement der WestLB mit voller Kraft weiterzuführen. Denn gerade in kritischen Zeiten zeigt sich doch, ob jemand zu seinem Wort steht. Und das tun wir.
K.WEST: Staat und Kommunen unterliegen auch in ihrer Kulturpolitik der öffentlichen Kontrolle. Privatfirmen nicht. Ist das in Ihren Augen ein Problem?
KLOSS: Nein. Denn in der Nachwuchsförderung wollen Sie doch jemanden finden und fördern, der tatsächlich über großes Talent verfügt. Dazu arbeitet man gerade im Kulturbereich mit externen Experten zusammen, organisiert Ausscheidungen, um letztlich die besten zu finden.
K.WEST: Das führt dazu, dass viele Firmen nur noch das fördern, was ohnehin schon glänzt, einfach damit es auf sie zurückstrahlt.
LINK: Das wäre unserer Ansicht nach sehr kurzfristig gedacht. Deshalb fahren wir ja gerade ein so vielschichtiges Programm, betreiben Förderkonzepte für den Nachwuchs wie für die etablierte Kunst. Für Benachteiligte wie für Spitzenkräfte. Großveranstaltungen genauso wie beispielsweise eine kontinuierliche Restaurationsförderung.
K.WEST: Hat nicht der Kunsthistoriker in Ihnen Angst, dass die Kulturinstitute zu abhängig werden von privaten Geldgebern?
LINK: Das sind sie sicherlich zum Teil bereits. Kultureinrichtungen sind oftmals in ihren originären Funktionen aus Geldmangel schon stark eingeschränkt. Die klassischen Museumsaufgaben Sammeln, Bewahren, Forschen und Vermitteln sind kaum noch möglich, die Sammlung auszubauen geht nur noch mit privaten Mitteln.
K.WEST: Macht sich eine Bank darüber Gedanken?
LINK: Ja: Deshalb prüfen wir intensiv, welches Engagement sinnvoll ist für den Geförderten wie für uns.
K.WEST: Wie groß ist denn die Einflussnahme der Landesregierung auf ihr Förderprogramm?
LINK: Wir entscheiden selbst, was wir fördern. Wir arbeiten aber natürlich auf einigen Feldern zusammen.
Ausstellung in Berlin: www.metinberlin.org