TEXT: STEFANIE STADEL
Wo ist sie hin? Die weiße Podenco-Hündin. Einst sah man das zarte Geschöpf durch die Karlsauen huschen. Mit ihrem pinken Vorderbein war Human – so ihr vielsagender Name – der Hingucker und garantiert das meistfotografierte Kunstwerk des Kasseler Kunstsommers 2012. Vielleicht weil sie so hübsch ausschaut mit der gefärbten Pfote. Aber sicher noch viel mehr, weil sich der Hund so wunderbar in Einklang bringen ließ mit dem Tenor dieser Documenta, die das Schlagwort des Animismus in die Kunstwelt hinausrief.
Noch immer beeindruckt die Karriere vom spanischen Straßenköter zum eleganten Kunst-Trendsetter. Zumal das Tier keine Eintagsfliege war. Seit Kassel konnte sich Human als echter Dauerläufer auf dem Parkett halten.
Aber wo treibt sie sich nur herum? Zuletzt durchstreifte die Hündin das Centre Pompidou in Paris, wo Pierre Huyghes Retrospektive im Winter ihre vielbeachtete Premiere feierte. Auch nach Köln ist sie eigens mitangereist, um die zweite Station der großen Werkschau des 51-Jährigen im Museum Ludwig zu beleben. Und um zu beweisen, dass mehr in ihr steckt als bloß die publikumswirksame Illustration abenteuerlicher Documenta-Thesen.
Vorerst macht sie sich jedoch rar. Kein freundliches Schwanzwedeln zur Begrüßung im Museum Ludwig. Ganz ohne Hund passiert man das Entree und wundert sich vielleicht über das merkwürdige Muster des Teppichbodens dort. Die Idee eines schrägen Designers vielleicht? Nein, Huyghe hat das gute Stück aus dem Verwaltungstrakt des Museums hierher verlegt. Die Verfärbungen rühren vom jahrelangen Gebrauch her: Es sind die Schritte der Museumsleute, die auf der Oberfläche des Flors ablesbar werden und sich zu einer Art Trampelpfad verdichten. Wer ihm folgt, stößt alsbald auf einen jungen Mann im Anzug, der am Eingang zur Ausstellung wartet und jeden freundlich nach seinem Namen fragt, um diesen dann laut in den Saal zu rufen.
Jetzt gehört man also offiziell dazu, ist Akteur des musealen Schauspiels. Für ein, zwei Stunden vielleicht. In dieser Zeit könnte man zum Beispiel ein paar durchscheinenden Wasserspinnen beim Tanzen zusehen, Huyghes Antarktis-Expedition verfolgen oder die Hände in schwarzes Eis tauchen, um sie dann gegen die weiße Wand zu drücken.
Natürlich könnte man auch weiter nach dem weißen Hund mit der pinken Pfote fahnden und würde sich dabei wahrscheinlich im labyrinthischen Zickzack der Ausstellungsarchitektur verlieren. Huyghe hat die weißen Stellwände aus dem Centre Pompidou mitgebracht, wo sie vor seiner eigenen schon die Schau des amerikanischen Kollegen Mike Kelley beherbergt hatten.
Solche Erinnerungen an vergangene Präsentationen – an das Vorleben von Museumssälen – bringt Huyghe wiederholt ins Spiel. Auch wenn er mit seiner Schleifmaschine an der Wand im Museum Ludwig die farbigen Spuren aus 18 Jahren Ausstellungstätigkeit freilegt. Schicht für Schicht. Das Ergebnis erinnert an die Jahresringe eines Baumes.
Auf Vergangenes verweist in Köln auch Huyghes Freiluft-Gärtlein, das wenigstens Teile der Documenta-Installation rekonstruiert. Wer nicht allergisch auf Bienenstiche reagiert, darf hinaus treten und die Skulptur der nackten Frau mit dem umschwärmten Kopf genauer in Augenschein nehmen. Es ist dieselbe Dame, die 2012 in Kassel von Bienenvolk umsummt auf einer matschigen Lichtung lag. Zwischen Abfall, Unkraut und Kompost in Huyghes Zaubergarten-Installation.
Sie spielt auch mit in Huyghes faszinierendem Film, …
Lesen Sie weiter in der gedruckten Ausgabe von K.WEST!
Museum Ludwig, Köln, bis 13. Juli 2014. Tel. 0221 / 22126165. www.museum-ludwig.de