Vor drei Jahren verstörte Katharina Thalbach an der Kölner Oper das Publikum mit einer eigenwilligen »Salome«-Rezeptur. Das schwüle Geschehen spielte in einer Großküche, aus dem Schleiertanz wurde eine obszöne Sauerei mit Gemüse und Geschirrtuch-Gewedel. Angesichts von Leos Janáceks »Jenufa« hat die Regisseurin, bekannt vor allem als Schauspielerin mit Berliner Schnauze, der Mut offenbar verlassen. Oder ist es der konservative Kurs des Noch-Intendanten Dammann, der ihr die Richtung wies? Die Inszenierung riskiert fast nichts, schon gar keine aktualisierenden Experimente. Sie siedelt die grausame Oper aus dem mährischen Bauernleben, die 1904 in Brünn uraufgeführt und 1918 in Köln deutsch erstaufgeführt wurde, zunächst in einem zeitlos reduzierten Raum (Momme Röhrbein) an, den aber historische Kostüme und herzige Requisiten ergänzen. Alsbald (im ersten Akt) hebt erbauliches Dorfleben an: Vor blauem Himmel waschen Mägdelein Wäsche, wackere Landmänner schleppen Mehlsäcke, und Omi sitzt auf dem Bänkchen und sorgt dafür, dass alle artig sind. Der Chor spielt das Bauernvolk so propaganda-folklorig wie in sehr alten Heimatfilmen.
Jenufa, Stieftochter der Küsterin, liebt den flatterhaften Steva, von dem sie schwanger ist. Dessen Halbbruder Laca wiederum liebt Jenufa aufrichtig, wovon die aber nichts wissen will. Laca verunstaltet Jenufa mit einem Messer, um sie für Steva unattraktiv zu machen. Jenufa bringt ihr Kind allein und heimlich zur Welt. Die Bühne ist nun, im zweiten Akt, ein erhöhter, sich verengender schwarzer Kubus, der Jenufa wie eine Zelle umschließt. Der Kindsmord der Küsterin, die ahnend ahnungslose Jenufa, die Anbahnung der Vernunfthochzeit mit Laca, das Auffinden der Kinderleiche im tauenden Eis: Trotz starker Momente findet eine sinnfällig dramatische Verdichtung nicht statt. Es bleibt bei Bebilderung. Dabei bedürfte es nicht mal des Verweises auf heutzutage schon mal in Kühltruhen aufgefundene Säuglinge, um an die virulente Problematik unerwünschter Kinder zu erinnern.
Janáceks brennend leidenschaftliche Musik legt GMD Markus Stenz brillant, doch emotional gebremst an. Orla Boylan singt eine beseelte Jenufa, Dalia Schaechter bekommt als Küsterin den größten Applaus, die rivalisierenden Halbbrüder Steva (Hans-Georg Priese) und Laca (Ray M. Wade jr.) sind imponierend präsent.
Am Schluss, wenn Jenufa und Laca sich doch noch finden (und Janácek eine bewusst überhitzte Utopie hören lässt), türmt sich die Szene zu Kitsch. Der Kubus steht auf einem gigantischen Eissockel, während der Himmel sich zum Sonnenuntergang rötet. REM