TEXT: STEFANIE STADEL
»Er hatte diese coole Art, wie Humphrey Bogart. Er wusste, was los war und wie die Dinge liefen.« Das sagte Gerhard Richter über den Kommilitonen von einst: Konrad Fischer kannte die Spielregeln. »Er war arroganter als die anderen Studenten, weil er mehr Durchblick hatte und nicht so sentimental war.«
Als aufstrebende Jungkünstler – damals im Düsseldorf der frühen 60er Jahre – machten sie oft gemeinsame Sache: Richter und Fischer, der sich als Künstler mit dem Mädchennamen seiner Mutter Lueg nannte. Auch Sigmar Polke gehörte zu jenem illustren Clübchen, das mit schrägen Ausstellungen und Aktionen im Möbelhaus, in einer ehemaligen Metzgerei oder im verschneiten Vorgarten des Wuppertaler Architekten und Galeristen Rolf Jährling Furore machte.
Doch während Richter und Polke bald in die Top Ten der internationalen Künstlerelite vorpreschten, brach Lueg unversehens die hoffnungsvoll eingeschlagene Laufbahn ab. Denn der selbstkritische junge Mann war »null überzeugt« von dem, was er da machte. »Statt nur ein kleiner Künstler in Düsseldorf zu sein«, so seine Überlegung, wollte er fortan lieber große Kollegen in die Stadt holen.
Und so startete der hervorragend informierte Insider Konrad Lueg alias Konrad Fischer 1967 seine extrem erfolgreiche Zweitkarriere als Avantgarde-Galerist. Gemeinsam mit seiner Frau Dorothee, die heute, seit dem frühem Krebstod ihres Mannes 1996, die Galerie allein weiterführt – in Düsseldorf und seit einigen Jahren mit einer Dependance in Berlin.
Auf der Künstlerliste stehen bis anno noch viele der alten Namen: Carl Andre etwa, Sol LeWitt, Richard Long, Lawrence Weiner oder Bruce Nauman. Sie alle gaben in den späten 60ern bei Konrad Fischer ihr Europadebüt. Der Düsseldorfer holte damals Minimal- und Concept-Art aus den USA an den Rhein. Und trug sicher nicht zu knapp dazu bei, dass Düsseldorf sich – eine paar Jahre lang wenigstens – als Nabel der Kunstwelt fühlen durfte.
Das Museum Kurhaus in Kleve zeigt Fischer nun von allen Seiten: Den Künstler, der mit Polke und Richter den »kapitalistischen Realismus« erfand, sich dabei von der Pop-Art und von gemusterten Tapeten, Tischdecken oder Waschlappen inspirieren ließ. Vor allem aber den legendären Galeristen und den bisher wenig beachteten Sammler, der gemeinsam mit seiner Frau – backstage sozusagen – eine recht private Kollektion zusammentrug.
Das Meiste haben die Galeristen direkt aus den Ausstel-lungen im eigenen Haus gekauft. Doch ist auch manch eine Arbeit dabei, die Künstler der Familie als persönliche Gabe überließen. Wie ein Spiegel oder Echo begleiten sie Leben und Werk. Als zentrale Figuren im Programm sind Andre, Nauman, Mario Merz, Robert Ryman, Thomas Schütte und Gregor Schneider mit umfangreichen Werkgruppen vertreten.
Doch startet die Sammlung eigentlich schon früher. Zu den ersten Erwerbungen zählt ein kleiner Zinkkasten, den Joseph Beuys für Dorothee Fischer mit Wachs überzogen hatte. Damals, 1964, studierte sie noch Kunst. Konrad hatte die Akademie eben verlassen und konnte sich über erste Beachtung als Künstler freuen. Nebenher jobbte er – putzte etwa gemeinsam mit Richter die Treppen in einem nahe gelegenen Schloss.
Die Idee zum Seitenwechsel flüsterte ihm etwas später der Düsseldorfer Kunsthändler Alfred Schmela ein. Mit viel Elan, aber sehr wenig Kapital gingen die Fischers an den Start. Als erstes legten sie einen heißen Draht zu Kasper König, der sich seinerzeit in der New Yorker Szene umtat und dem Freund Mut machte: »Die Lage erscheint mir recht gut. Westdeutschlands kleinkarierten Galeristen bist Du überlegen …«.
Als bescheidene Bleibe für sein Projekt tat Fischer eine Tordurchfahrt in der zwischen Düsseldorfer Kunsthalle und Akademie strategisch günstig gelegenen Neubrückstraße auf. Er hatte nach eigenem Entwurf zwei Glastore anfertigen lassen. In schnellem Takt schleuste der Jungunternehmer nun die amerikanische und deutsche Avantgarde durch das kühle Kämmerlein – drei mal elf Meter, mehr Platz war dort nicht.
»Wenn ich nie bei Konrad Fischer ausgestellt hätte, da bin ich mir sicher, wäre mein Leben als Künstler schon längst vorbei«, so schmeichelt ihm Minimal-Pionier Carl Andre, der im Oktober 1967 als erster Gast kam, um den Tunnel mit hundert industriell gefertigten Stahlplatten zu pflastern. Von da an lief alles wie am Schnürchen. Er selbst habe sich nun gar nicht mehr um die Künstler bemühen müssen, bemerkte Fischer später. »Das machte Andre, der sagte: Fahr hin, ist prima.«
Es folgten Sol LeWitt, der seine Zeichen an die Wände schrieb, und Nauman, der im Wechsel sechs Tonbänder – zwischen Tonkopf und Stuhl gespannt – quer durch den Raum laufen ließ. In Kleve wird das Schauspiel nun noch einmal inszeniert. Ebenso Richard Longs »Sculpture for Konrad Fischer«: Eine Installation aus Weidenstöcken, die der Künstler in schnurgeraden Bahnen auf dem Fußboden in der Neubrückstraße ausgelegt hatte.
Die Arbeit vor Ort wurde zur Regel bei Fischer. Statt die Werke aus Übersee herzuholen, lud er die Künstler nach Düsseldorf ein. Das war billiger. Und kam dem Galeristen, der sich lieber »Kunstagent« nannte, wohl auch sonst entgegen. Denn er wollte ein internationales Netzwerk aufbauen, setzte auf Kontakte und Kommunikation.
Gern chauffierte er die Künstler vom Flughafen zu sich nach Hause, quartierte sie in den eigenen vier Wänden ein und zog abends mit seinen Gästen durch die Altstadt-Kneipen. »Du bist ein feiner Kumpel, ein Künstler, kein spießiger Händler«, so lobte ihn Carl Andre.
Fischer gefiel das Image des uneitlen Vermittlers zeitgenössischer Kunst. Deshalb nannte er seinen Laden zunächst wohl auch nicht Galerie, sondern titelte schlicht »Ausstellungen bei Konrad Fischer«. Sein Widerwille gegen jede Form von Marketing, sein demonstratives Desinteresse am kommer-ziellen Aspekt der Tätigkeit eines Kunsthändlers sind beinahe schon legendär. Fischer gab sich wortkarg, Verkaufsgespräche kamen nicht in Frage. »Konrad rannte immer weg, wenn ein Kunde kam«, so witzelte das Künstlerduo Gilbert & George. »Man konnte Dinge kaufen, doch er weigerte sich, sie zu verkaufen.« Die Fäden zog Fischer im Hintergrund, etwa wenn er mit viel Geschick seine Künstler an Museen in der Umgebung weitervermittelte.
Es funktionierte. Im Nu war die Hofeinfahrt als Sprungbrett der internationalen Avantgarde in aller Munde. Man konnte expandieren – 1970 in einen alten Friseursalon und im Februar 1974 in die ehemalige Porzellanfabrik im Düsseldorfer Stadtteil Flingern-Nord, wo die Galerie noch heute sitzt.
In die Kunstmarktgeschichte gingen Konrad Fischer vor allem als Promotor der Minimal- und Concept-Art ein. Den Rest der Story übersieht man dagegen leicht: Die ständige Erweiterung des Programms, entschieden über diese beiden Richtungen hinaus. Zwar überging Fischer die »Neuen Wilden« – aus tiefer Überzeugung. Doch hatte er in den 80er Jahren durchaus Anteil daran, der Rückkehr zur Figuration den Weg zu bereiten.
Eine wesentliche Rolle kam dabei Thomas Schütte zu, dem Fischer 1981 die erste Einzelausstellung einrichtete. Schütte ist auch in Fischers Sammlung gut vertreten, zum Beispiel mit seinen 90 Ringen von 1977. In Kleve wirken sie wie Erinnerungen an Luegs eigenes Werk und zugleich wie Vorboten eines Aufbruchs: spielerisch an das strenge minimalistische Denken erinnernd, das sie selbst schon überwunden haben. »Konrad hatte für mich eine Rolle zwischen Lehrer und Vater – extrem wichtig«, erinnerte sich Schütte später.
1993 kam Gregor Schneider hinzu und tat mit Hilfe des Düsseldorfer Galeristen die ersten Schritte auf der Karriereleiter. Damals war der Künstler erst 24 Jahre alt und weit entfernt vom Goldenen Löwen der Venedig-Biennale.
Trotz der Erfolge fühlte sich Konrad Fischer offenbar zunehmend unwohl. Er war einst angetreten, »die Familie zu informieren« – wie es ein Kunstkritiker treffend formulierte. Um 1970 zählte sie vielleicht hundert Leute. Ein Jahrzehnt später war sie auf rund 10.000 angewachsen, war der kleine Kreis von Gleichgesinnten zur anonymen Masse geworden. Eine Situation, die Fischer befremdete.
Jan Dibbets, einer seiner alten Schützlinge, erlebte ihn »ziemlich traurig in seiner Galerie«. Konrad habe ihn oft angerufen und gesagt, wie er sich langweile. »Er hatte eine etablierte Galerie mit weltberühmten Künstlern, aber die Kunstwelt um ihn herum war total verändert. Es herrschte eine andere Mentalität.«
Museum Kurhaus Kleve. Von 14. November 2010 bis 20. März 2011. Tel. 02821/75010. www.museumkurhaus.de