TEXT: STEFANIE STADEL
Eine kleine Anhöhe, geschwungene Wege, alles grün. Man sitzt unter Laub, das Schatten spendet, auf einer der schlichten Sandsteinbänke, die Jenny Holzer hier arrangiert hat. Es könnte so idyllisch sein – wäre da nicht der Lärm. Ganz nah allerhand Baufahrzeuge, die auf Wegen und Wiesen rangieren, Skulpturen verschieben und dem Park kurz vor seiner Neueröffnung den letzten Schliff geben. Sie werden demnächst abfahren. Was bleibt, ist das Rauschen der Straßen ringsum, die der Parzelle hier im Ausläufer des Kölner Grüngürtels am nördlichen Rand der Innenstadt eine akustische Grenze setzen.
Ein Ort der stillen Begegnung mit Kunst und Natur ist das kaum. Manchmal fühlt man sich eher wie auf einer großen Verkehrsinsel, begrünt freilich und recht dicht bestellt mit Kunststücken von Größen wie Tony Cragg oder Dan Graham, Jorge Pardo, Ulrich Rückriem oder Heimo Zobernig.
Seit der Gründung des Kölner Skulpturenparks 1997 durch das inzwischen verstorbene Sammlerpaar Michael und Eleonore Stoffel erlebt man das Ensemble regelmäßig in Bewegung. Grob alle zwei Jahre zeigt sich ein etwas anderes Gesicht: Neues kommt, Altes bleibt, wechselt aber gelegentlich seine Position. Leihgaben gehen, andere ziehen ein. Inzwischen ist man angekommen bei der sechsten Ausgabe von KölnSkulptur, Kurator war diesmal Friedrich Meschede, der sozusagen auf der Durchreise am Rhein halt gemacht hat. Von Barcelona, wo er in den vergangenen drei Jahren die zeitgenössischen Ausstellungen im Museu d’Art Contemporani verantwortet hat, nach Bielefeld, wo er am 1. Juli die Leitung der Kunsthalle übernehmen wird.
Kasper König hatte den Kontakt nach Köln vermittelt. Und Meschede fand bald Gefallen an der Aufgabe. Obwohl er der Idee Skulpturenpark, wie es scheint, nicht ohne Vorbehalte gegenübersteht. Oder vielleicht auch gerade deswegen? »Für mich haben Skulpturen in einem Park immer etwas sehr Verlorenes«, gesteht er. In diesem Park sah Meschede sie eher isoliert, verstreut, ohne Beziehung zueinander. Und ohne die Bezugsgröße, die Skulp turen in der Natur prinzipiell fehle, so seine Überzeugung. Mit diesem Grundproblem im Kopf hat Meschede sich daran gemacht, den Park selbst zum Thema der Neuinszenierung zu machen – eine Entscheidung mit gravierenden Folgen.
Nicht ohne Grund trägt der Vortrag, den der Kurator tags darauf im Museum Ludwig halten wird, den Titel: »Ein Park erfindet sich neu«. Das sind große Worte, die eigentlich gar nicht passen zu dem aus Lippstadt stammenden Westfalen, der sonst eher auf dem Teppich bleibt, wenn er über seine Arbeit redet.
Doch mit Blick von Jenny Holzers Bank auf die beinahe komplette KölnSkulptur 6 kann man wohl sagen, dass etwas dran ist an der angekündigten Neuerfindung. Denn da fallen tatsächlich ein paar erstaunliche Veränderungen ins Auge. Die erste liegt rechter Hand: Ein fast sechs Meter hoher Gartenpavillon, der leicht, hell, offen, wie ein Gegengewicht wirkt zur Bunkerarchitektur des dunkelgrauen Stiftungsgebäudes, das nach dem Abriss der alten Gastronomie-Lounge am anderen Ende des Parks erstmals sichtbar wird.
Aufgestanden und eingetreten in das schlichte neue Garten-Gehäuse des jungen Japaners Sou Fujimoto, kneift man unwillkürlich die Augen zusammen. So weiß sind die Wände und so stark das Licht. Ungehindert fällt es ein, denn ein Dach gibt es nicht. Überhaupt ist es kein gewöhnlicher Pavillon, den sich der Architektenstar da für Köln ausgedacht hat. Auf dem Boden wurde Rollrasen verlegt und mitten drin ein Baum gepflanzt. Die drei großen Öffnungen in den Wänden bleiben unverglast, funktionieren aber sonst wie Fenster. Überrascht schaut man hindurch, denn die Skulpturen ringsum erscheinen tatsächlich in einer neuen Relation. Im Verhältnis zur architektonischen Struktur gewinnen sie ein klarer definiertes Maß.
Doch holte sich Meschede nicht nur Hilfe in der Architektur. Er spannte dazu noch einen Künstler ein, der dafür sorgen sollte, dass die Skulpturen etwas mehr Halt gewinnen im natürlichen Grün. Mit Florian Slotawa fand er den richtigen Mann. Ist der doch bekannt dafür, dass er am liebsten mit Vorgefundenem arbeitet. Es umstellt, neu ordnet, in andere Zusammenhänge bringt.
Slotawas Umräum-Arbeit in Köln nun verblüfft in ihrer vermeintlich unverschämten Banalität. Der Künstler hat schlicht sieben einigermaßen bewegliche Stücke aus dem Kernbestand des Skulpturenparks genommen, der Größe nach sortiert und wie die Orgelpfeifen in eine Reihe gestellt. Ganz simpel – oder vielleicht doch nicht?
Man muss die Sache nicht lange studieren, um zu erkennen, dass neben der reinen Größe wohl noch allerlei andere formale Kriterien im Spiel gewesen sein könnten bei Slotawas Kölner Neuordnung. Allein schon die beiden kontrastierenden Schluss-Stücke seiner bunten Reihe machen das klar: Ganz links Joel Shapiros ruhelos gestisches Konstrukt aus Vierkant-Bronzebarren, die in ausgeklügelter Balance über sieben Meter in die Höhe tanzen. Am anderen Ende – tadellos rund und in sich ruhend – James Lee Byars vergoldete Bronzekugel.
Neben den alten Bekannten begegnet man auf dem kurzen Rundgang durch den Park auch vielen Neuzugängen. Die Kunst hat mehr Platz als zuvor, denn die alte Gastronomie-Lounge fällt weg, das Café wird demnächst ins Stiftungsgebäude einziehen.
Der Skulpturenpark als selbstgesetztes Thema hat Meschede auch bei der Auswahl der Neuzugänge geleitet. Viele Stücke scheinen wie zugeschnitten auf den Ort im Freien. Mandla Reuters Baum etwa, der als fast surreales Moment à la Magritte mitten im Weg steht. Oder der alte Container, den Sophia Hultén komplett auseinander montiert hat, um die Innenseiten nach außen zu kehren. Nun steht das alte Ding am Tor mit Blick auf den Rhein, wo ihm von Zeit zu Zeit die großen Containerschiffe zuwinken.
Auch jener große Findling, den Johannes Wald nahe dem Eingang abgelegt hat. Jeden Morgen wird er mit einem weißen Kuhfell bedeckt, so zur Sitzgelegenheit gemacht. Abends, so Walds Gebrauchsanweisung, ist das Fell wieder einzurollen. Und der Fels verliert seine Funktion.
Verglichen mit den Werken der älteren Generation, die mit zuweilen spektakulären Gesten den öffentlichen Raum erobert hat, geben sich diese neuen Stücke ziemlich zurückhaltend, dem Park und oft auch sehr stark ihrem eigenen Material verpflichtet. Am weitesten geht in dieser Hinsicht sicher Katinka Bock, die auf einen Sockel mit Sandburg gleich Decken mehrere Tonlagen schichtete. Das alles bleibt nun für die nächsten paar Monate liegen, wird in Regen, Wind und Sonnenschein Gestalt und Oberfläche verändern. Erst im September oder Oktober will die Künstlerin ihr Werk dann brennen und eine Keramikskulptur daraus machen. Vielleicht ja ein Grund für Friedrich Meschede, noch einmal zurückzukommen, aus Bielefeld nach Köln – um sich seinen dann wirklich vollendeten Skulpturenpark anzusehen.
Skulpturenpark, Köln, bis Mai 2013. Tel. 0221/33668860. Täglich geöffnet April bis September von 10.30 bis 19.00 Uhr, Oktober bis März von 10.30 bis 17.00 Uhr, Eintritt frei. www.skulpturenparkkoeln.de