TEXT: ANDREAS WILINK
Wie das so ist innerhalb eine Woche, ein paar Tage kann man vergessen. Manchmal den lähmenden Sonntag, oft den Wochenbeginn, der sich hin quält. Das passiert auch in »Sieben Tage in Havanna«. Früher nannte sich das Genre Omnibus-Film. Taxi-Film wäre auch nicht verkehrt. Denn gefahren wird hier viel, kreuz und quer und am liebsten zum Flughafen, falls kein Boot nach Florida abgeht. Sieben Regisseure erzählen sieben Geschichten, Benicio del Toro eine banale Touristen-Episode über einen jungen US-Amerikaner, der erotisch gefoppt wird, Pablo Trapero eine hochprozentige Anekdote mit und über Emir Kusturica, deren Ende absehbar ist wie der Kater für den Serben nach seiner Jazz-Session-Nacht am Meer. Kuba scheint immer noch für Rum, hüftwackelnde Frauen und Musik gut zu stehen. Und Havanna erinnert immer noch an die 50er Jahre mit den Limousinen und knalligen Farben.
Am Mittwoch (Julio Medem) verliebt sich Daniel Brühl in die Sängerin Cecilia und verspricht, sie nach Madrid mitzunehmen, Ticket inklusive. Doch vorher lädt er sie zu sich ins Hotelzimmer 2006 ein. Nur fort: Cecilias Blick erfasst ein Flugzeug am Himmel und das luxuriöse Bad, das sie mit der schäbigen Wanne in ihrer Ein-Raum-Wohnung vergleicht. Zuhause wartet ihr Freund, ein Baum von Mann, der für sie beide den Fluchtweg übers Meer plant.
Cecilia muss sich entscheiden. Am Donnerstag (Elia Suleiman) hat ein palästinensischer Gast in seiner Botschaft unter den Porträts von Arafat und Abbas einen Termin beim »Comandante«, während Führer Fidel in Ansprachen auf dem Fernsehbildschirm sein Volk beglückt. Der ältere bärtige Herr mit Hut und Freizeithemd – eine Jarmusch-Figur – hat viel Zeit, sitzt an einer Bar neben einer Hemingway-Statue, staunt stumm, denkt an den Arabischen Frühling und erlebt eine versteinerte Revolution, sieht im Zoo zwei Geier, einen traurigen Clown, Menschen an der Strandpromenade mit dem Rücken zum Land, die sehnsüchtig übers Wasser blicken. Aber vielleicht warten sie nur auf jemanden, der sie abholt.
Der Freitag (Gaspar Noé) vollzieht zu dumpfem Trommeln ein magisches »Ritual«. Zwei junge Frauen haben sich geliebt, die Eltern der einen finden beide zusammen im Bett. Böse Blicke streifen die Körper. Austreibung der Dämonen. Eines der Mädchen muss sich der schwarzen Magie unterziehen: Ihr Kleid wird zerschnitten, ein Messer berührt sie und sticht in den Boden, das Wasser des Flusses reinigt und entsühnt sie von Schuld und Schande. Ein Mann erledigt den Rest. Das Ganze verläuft stumm. Grandios.
Der Samstag (Juan Carlos Tabío) bringt Turbulenzen. Mirta ist eine echte Almodóvar-Frau, aktiv, stark, vital, gehetzt. Die Therapeutin, verheiratet und Mutter, jongliert mit mehreren Jobs. Man muss sich durchbringen. In einer TV-Show gibt sie gute Ratschläge (»stressfrei leben, sich Zeit für sich selbst nehmen«); nebenbei backt sie ohne Lizenz Patisserie-Wunderwerke für private Feste. Aber was tun, wenn für den Eischnee auf den Torten die Mixmaschine den Geist aufgibt. Auch hat Mirta eine Tochter – Cecilia, und die ruft an, um Adíos zu sagen. So schließt sich der Kreis.
»7 Tage in Havanna«; Regie: del Toro, Trapero, Medem, Suleiman, Noé, Tabío, Cantet; Frankreich/Spanien 2012; 129 Min.; Start: 11. Juli 2013.