»Solitaire« ist ein Brettspiel für Einzelkämpfer. Im Ballett von Stephan Thoss wird es zum choreografischen Gesellschaftsspiel – ohne Gewinner. Bei der Uraufführung am Essener Aalto wimmelte es von einsamen Figuren. Während der künftige Ballettdirektor des Wiesbadener Staatstheaters das moderne Leben als Sackgasse in die Einsamkeit glutvoll inszenierte, vertanzte Ralf Dörnen im zweiten Teil des Doppelabends mit Orffs »Carmina Burana« Sinneslust und Schicksalsschwere eher konventionell.
So finster Thoss’ Visionen vor grauen Mauern mit eingelassenen Türen, so herrlich funkelt sein »Solitaire«. Der zeitgenössische Choreograf, zu Jahresbeginn schon in Essen mit »Schwanensee« gefeiert, wählte mit Bartòks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta eine Komposition, an der sich sein eigenwilliger Stil reibt. Es entsteht ein kratzbürstiger Dialog zwischen Tänzern und Musikern, der erst im dritten Satz in lyrischer Pause verstummt. Während ein Mädchen (Joo-Jin Jang) im weißen Kleid über sein expressionistisches Tanzvokabular von quälender Einsamkeit spricht, bilden Paare und Ensembles scheinbar einen Kontrast der Gemeinsamkeit. Auch die anderen winden sich, inspiriert von Palucca und Jooss, in nie gesehenen Hebefiguren, Sprüngen und Schrittfolgen. Erstaunlich, die Einfallskraft des Stephan Thoss.
Solides Handwerk dagegen die Orff-Adaption. Der Ballettchef am Theater Vorpommern Greifswald/Stralsund schuf für das Oratorium eine überwiegend abstrakte Deutung, die immer dann, wenn sie sich um Anschaulichkeit bemüht, peinlich platt wird. Ein künstlicher Schwan wird mit Messer und Gabel zerlegt, eine wild winkende Ballerina sucht vergebens Anschluss an die Männlichkeit. Zudem schien die Compagnie wie ausgewechselt; die bei Thoss exzellenten Tänzer wirkten unkonzentriert, das Ballett schlecht einstudiert. In großer Form dafür Philharmoniker, Chöre und vor allem die Gesangssolisten unter dem Dirigat von Rasmus Baumann. TROUW